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Data Privacy Litigation: Die Darlegungs- und Beweislast bei DSGVO-Schadensersatzklagen

Zivilrechtliche Klagen zur Durchsetzung von Ansprüchen auf Auskunft und Schadensersatz aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nehmen stetig zu. Immer häufiger müssen sich Zivilgerichte mit der komplexen Materie der DSGVO auseinandersetzen. Zahlreiche Fragen rund um den Anspruch auf Schadensersatz nach Artikel 82 DSGVO sind bereits dem EUGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die DSGVO wirft auch verfahrensrechtliche Fragen auf. Eine Frage, die sich im Rahmen des Anspruchs auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO in der juristischen Diskussion regelmäßig stellt, ist die Frage, wer die Darlegungs- und Beweislast trägt. Diese Frage ist für Gerichtsverfahren relevant, weil eine Klage nicht bereits dann begründet ist, wenn der klagenden Partei der materiell-rechtliche Anspruch theoretisch zusteht.

1. Beibringungsgrundsatz

Nach dem so genannten Beibringungsgrundsatz im deutschen Zivilprozessrecht obliegt es den Parteien, die für sie günstigen tatsächlichen Umstände „beizubringen“, die als Grundlage der richterlichen Entscheidung dienen sollen. Ein Zivilgericht wird nichts ermitteln und es darf seine Entscheidung nicht auf unterstellte Tatsachen stützen, die nicht von einer Partei vorgetragen sind. Daher muss der Kläger  grundsätzlich alle anspruchsbegründenden – für ihn günstigen – Tatsachen vortragen, für die der Kläger die Darlegungslast trägt. Eine Modifikation der Darlegungslast (sog. sekundäre Darlegungslast) ist ebenso wie eine sog. Beweislastumkehr im deutschen Recht die Ausnahme und nicht Regel. Auch Auskunftsansprüche des Klägers gegen den Beklagten gibt es nur vereinzelt. Und die so genannte „discovery“ – wie in den USA – mit dem Ziel, Tatsachen und Beweismittel durch Zeugenbefragungen (depositions) oder durch eine Vorlage von Dokumenten vom Gegner zu erhalten, gibt es im deutschen Zivilprozessrecht nicht. Kurzum: Wenn der Kläger die relevanten Tatsachen nicht kennt oder in Beweisnot ist, kann er den Prozess allein deswegen verlieren. Vor diesem Hintergrund ist die Ermittlung des Sachverhalts und die Beschaffung der Beweise zur Vorbereitung oder im Rahmen eines Zivilverfahren in Deutschland in vielen Fällen die für einen Sieg entscheidende Kärnerarbeit, die ein Anwalt mit seinen Mandanten zu erledigen hat.

2. OLG Brandenburg zur Darlegungs- und Beweislast bei DSGVO-Schadensersatzklagen

Auch für die gerichtliche Durchsetzung eines Schadensersatzanspruches nach Art. 82 DSGVO gelten die allgemeinen Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast. Die betroffene Person muss im Falle einer Klage sowohl den Verstoß gegen eine datenschutzrechtliche Vorschrift als auch den angeblichen Schaden darlegen und im Streitfall auch beweisen. In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung hat das Oberlandesgericht Brandenburg (Beschluss vom 11. August 2021 – 1 U 69/20) hierzu wörtlich festgestellt:

„Dass ein Entschädigungsanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO das Vorliegen eines Schadens voraussetzt, den die anspruchsstellende Partei im Rechtsstreit darzulegen hat, wird in der Rechtsprechung nicht mehr nur vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (…) vertreten, sondern hat auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (…) Eingang gefunden. Der Senat verbleibt bei seiner diesbezüglichen Auffassung mit der Folge für den vorliegenden Fall, dass das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht schlüssig dargetan ist, da der Beklagte auch im Schriftsatz vom 21.7.2021 lediglich substanzlos zu Beeinträchtigungen durch die streitgegenständliche Verwendung seines Fotos und seines Namens auf der Internetseite der Klägerin vorträgt.“

Teilweise wird zwar vertreten, aus der Rechenschaftspflicht des Art. 5 Abs. 2 DSGVO folge, dass im Gerichtsverfahren nicht die betroffene Person den Datenschutzverstoß darlegen und beweisen müsse. Vielmehr müsse der für die Einhaltung der DSGVO Verantwortliche darlegen und beweisen, dass er datenschutzrechtliche Vorgaben eingehalten habe. Letzteres würde im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr zulasten des Verantwortlichen führen. Diese Auffassung widerspricht der systematischen Stellung von Art. 5 Abs. 2 DSGVO innerhalb der DSGVO. Art. 82 Abs. 3 DSGVO kennt ausdrücklich eine Regelung zur Beweislastumkehr zulasten des Verantwortlichen. Danach obliegt es dem Verantwortlichen, nachzuweisen, dass er für die Umstände, die zu dem Verstoß geführt haben, nicht verantwortlich war. Hätte der Gesetzgeber eine weitergehende Beweislastumkehr zulasten des Verantwortlichen gewollt, hätte er das innerhalb der betreffenden Vorschrift – ähnlich wie in Art. 82 Abs. 3 DSGVO – ausdrücklich geregelt und nicht an anderer Stelle innerhalb der DSGVO. Daher hat auch das Oberlandesgericht Brandenburg festgestellt:

„Dem Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, dass aus Art. 82 Abs. 3 DSGVO in Verbindung mit dem Erwägungsgrund Nr. 146 Satz 2 zur DSGVO eine Beweislastumkehr für das Vorliegen eines Schadens folge. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut sowohl des Art. 82 Abs. 3 DSGVO als auch der Ausführungen im Erwägungsgrund Nr. 146 zur DSGVO bezieht sich die darin niedergelegte Nachweisobliegenheit des Verantwortlichen allein auf seine Verantwortlichkeit für die Umstände, die den Schaden herbeigeführt haben, nicht aber – auch – auf den Schaden selbst.“

Bereits das Landgericht Karlsruhe (Urteil vom 2. August 2019 – 8 O 26/19) hatte festgestellt, dass es auch im Rahmen von Art. 82 DSGVO bei den allgemeinen Regelungen zur Beweislastverteilung bleibe: Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast für den haftungsbegründenden Tatbestand. In einem Nebensatz hatte bereits das Amtsgericht Hannover (Urteil vom 9. März 2020 – 531 C 10952/19) festgehalten, dass es dem Kläger nach den allgemeinen Grundsätzen obliege, den Nachweis der Kausalität zwischen einem Datenschutzverstoß und dem Schaden zu erbringen. Ähnlich hat auch das Landgericht Hamburg (Urteil vom 4. September 2020 – 324 S 9/19) entschieden.

In dem Verfahren vor dem OLG Brandenburg konnte die betroffene Person nach Auffassung des Gerichts nicht schlüssig darlegen, zu welchem Schaden die Veröffentlichung eines Fotos auf einer Internetseite geführt haben soll. Substanzloser Vortrag zu angeblichen Beeinträchtigungen half nicht.

3. Fazit: Keine Beweislastumkehr bei DSGVO-Schadensersatzklagen

Zu Recht gehen die Gerichte überwiegend davon aus, dass weder aus Art. 5, 24 DSGVO noch aus den Erwägungsgründen der DSGVO eine allgemeine Beweislastumkehr zulasten der Verantwortlichen folge. Macht eine betroffene Person einen Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO geltend, muss sie daher nicht nur substantiiert zu dem Verstoß gegen die DSGVO und zu einem hieraus resultierenden Schaden vortragen. Betroffene Personen müssen ihre Behauptungen auch beweisen.

Nach Ansicht des OLG Brandenburg muss die Frage, ob Art. 82 DSGVO über die Beweislastumkehr in Art. 82 Abs. 3 DSGVO hinaus noch eine weitere Beweiserleichterung zugunsten der betroffenen Person erhält, auch nicht dem EUGH gestellt werden, weil der Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 u. 3 DSGVO insoweit eindeutig sei.

4. Praxishinweis

Ein schlüssiger Vortrag zu einem konkreten, insbesondere immateriellen Schaden dürfte derzeit die größte Hürde für eine erfolgreiche Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO für betroffene Personen sein. Scheidet beispielsweise ein Mitarbeiter aus einem Unternehmen aus und entfernt dieses nicht unmittelbar nach dem Ausscheiden sämtliche Fotos des Mitarbeiters auf der eigenen Internetseite, erschließt sich nicht ohne weiteres, welcher datenschutzrechtlich relevante Schaden hierdurch bei der betroffenen Person entstanden sein soll. War der Mitarbeiter in der Vergangenheit Opfer von systematischem Mobbing, kann die Tatsache, dass die Fotos weiterhin auf der Internetseite zu finden sind, bei diesem Mitarbeiter die Annahme eines Schadens rechtfertigen. Das dürfte jedoch die Ausnahme sein. Das Amtsgericht Pfaffenhofen hat das Vorliegen eines Schadens wegen unverlangter E-Mail-Werbung in einem  Urteil vom 9. September 2021 – 2 C 133/21 –  bejaht und eine Entschädigung in Höhe von 300,00 EUR zugesprochen:

„Der Schaden kann auch bereits etwa in dem unguten Gefühl liegen, dass personenbezogene
Daten Unbefugten bekannt geworden sind, insbesondere wenn nicht ausgeschlossen ist, dass
die Daten unbefugt weiterverwendet werden, auch bereits in der Ungewissheit, ob
personenbezogene Daten an Unbefugte gelangt sind. Unbefugte Datenverarbeitungen
können zu einem Gefühl des Beobachtetwerdens und der Hilfslosigkeit führen, was die
betroffenen Personen letztlich zu einem reinen Objekt der Datenverarbeitung degradiert. Den
Kontrollverlust nennt EG 75 ausdrücklich als „insbesondere“ zu erwartenden Schaden.
Desweiteren kommen etwa Ängste, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen in Betracht.“

[…]

„Die erkennbaren Auswirkungen lagen vielmehr darin, dass der Kläger sich – wie er unwidersprochen vortrug – sich mit der Abwehr der von ihm unerwünschten Werbung und der Herkunft der Daten  auseinandersetzen musste. Gerade letzteres – zumal unter Berücksichtigung der Dauer des  Verstoßes und der zunächst nicht ansatzweise zielführend erfolgten Auskunftserteilung – ist  geeignet, zu einem durchaus belastenden Eindruck des Kontrollverlusts zu führen, zumal dies auch die Auseinandersetzung mit dem Verstoß und auch die Abwehr ggf. drohender anderweitiger Verstöße erschwert.“

Sebastian Laoutoumai

Benötigen Sie Unterstützung bei der Verteidigung gegen DSGVO-Ansprüche? Sprechen Sie uns gerne an unter laoutoumai@loeffel-abrar.com

 Mehr zum Thema „Privacy Litigation“ finden Sie im gleichnamigen Buch: Laoutoumai | Privacy Litigation | 1. Auflage 2021 (ruw.de)  

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[Ergänzt: 21. September 2021]