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#InfluencerMarketing – Richter sprechen durch ein neues Urteil auch in Richtung Politik

Influencer werden seit den 2000er Jahren Personen bezeichnet, die ihre starken Präsenz und ihr hohes Ansehen in sozialen Netzwerken nutzen, um beispielsweise Produkte oder Lebensstile zu bewerben. Marketing mit Influencern wird als Influencer-Marketing bezeichnet. Seit etwa 2007 wird in Werbung von Marketing von Influencern im heute gebräuchlichen Sinn gesprochen. Als Grundlage für die Begriffsbildung gilt der 2001 erschienene populärwissenschaftliche Bestseller Influence: Science and Practice (Einfluss: Wissenschaft und Praxis) des US-amerikanischen Psychologen und Wirtschaftswissenschaftlers Robert Cialdini.„, so Wikipedia zum Begriff Influencer.

Spott wie „Früher war Influenza eine Krankheit, heute ist es ein Berufsbild“, so eine Juristin im Verfahren um die Influenzerin Cathy Hummels, gehört wohl der Vergangenheit an. Denn Influencer-Marketing hat enorm an Bedeutung gewonnen und regelmäßig müssen sich Gerichte mit Fragen des Influencer-Marketings beschäftigen. Dabei geht es um die Fragen, ob und wie Influencer ihre Beiträge als Werbung kennzeichnen müssen. Höchstrichterliche Entscheidungen hierzu fehlen noch. Der deutsche Gesetzgeber will nun regelnd eingreifen, obwohl der Bundesgerichtshof demnächst mehrere Fälle entscheiden und voraussichtlich für einige Klärung sorgen wird. Den rechtlichen Auftakt in das Influencer-Jahr 2021 macht das Oberlandesgericht Köln (OLG) mit seiner gerade veröffentlichten Entscheidung „Diana zur Löwen“ (Urteil vom 19. Februar 2021 – 6 U 103/20). Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist, dass die Richter deutliche Kritik an dem Gesetzesvorhaben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz üben. 

Hintergrund der Entscheidung des OLG Köln

Der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. (VSW) ging gerichtlich gegen eine Mode und Lifestyle-Bloggerin vor, welche auf ihrem Instagram-Account verschiedene Beiträge veröffentlicht hatte. Die angegriffenen Beiträge bestanden überwiegend aus veröffentlichten Fotos, auf denen die Influencerin Modeartikel und Accessoires präsentierte. Die einzelnen Produkte hatte sie mit so genannten „tags“ versehen, aus denen z.B. der Name eines Bekleidungsunternehmens hervorging. Klickte man die Tags an, gelangte man auf die Internetseiten der so beworbenen Unternehmen. Die Influencerin kennzeichnete nicht, dass es sich bei den Beiträgen um Werbung handelte. Daher mahnte sie der VSW ab. Die Influencerin gab zunächst  eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, veröffentlichte danach aber Beiträge der gleichen Art, wieder ohne den werblichen Charakter der Beiträge zu kennzeichnen. Der VSW forderte unter anderem eine Vertragsstrafe von der Influencerin. Da die Influencerin die Forderungen des VSW nicht vollständig erfüllte, verklagte der VSW sie vor dem Landgericht Köln auf Unterlassung und Zahlung einer Vertragsstrafe – und gewann (Urteil vom 21. Juli 2020, 33 O 138/19). Gegen diese Entscheidung hat die Influencerin Berufung beim Oberlandesgericht Köln eingelegt.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln

Das OLG Köln weist die Berufung der Beklagten zurück, lässt aber die Revision zum Bundesgerichtshof zu, weil „in der Rechtsprechung Uneinigkeit über die Frage besteht, welche Voraussetzungen erforderlich sind, um die Vermutung einer kommerziellen Motivation bei der sog. Influencerwerbung bestehen.“

Die Richter des OLG bejahen zunächst eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Nr. 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG):

„Soweit die Beklagte anmerkt, dass das hier in Rede stehende Verhalten redaktioneller oder informierender Natur ist, steht dies einer Bewertung als geschäftlicher Handlung allerdings nicht entgehen. Schon der Umstand, dass der Tatbestand der redaktionell getarnten Werbung auch mit lauterkeitsrechtlichen Vorschriften überprüfbar ist, spricht dafür, dass Presse, Rundfunk und sonstige journalismusnahe Tätigkeiten der UWG-Kontrolle nicht entzogen sind, wenn ihre Tätigkeit mittelbar durch Werbung finanziert wird (…).“

„Soweit durch die Produktdarstellung in Posts Unternehmensinteressen gefördert werden, liegt eine geschäftliche Handlung auch bereits vor, wenn keine explizite Förderabsicht nachweisbar ist. Allein der objektive Zusammenhang, also die tatsächliche Förderung oder Begünstigung kommerzieller Zwecke, genügt hierfür. Das ist eindeutig, wenn für eine Veröffentlichung ein Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung gezahlt wird. Fehlt es – wie hier an dem konkreten Nachweis einer solchen Entgeltzahlung – kommt es darauf an, ob eine Veröffentlichung vorwiegend der Information oder ob sie vorwiegend der Förderung von Absatzzwecken dient. Im Bereich der Influencerhandelns haben die Gerichte – schon weil der diesbezügliche konkrete Nachweis schwierig ist – das Überwiegen geschäftlicher Zwecke anhand von Indizien bestimmt. Dazu gehören insbesondere in das Foto eingebettete Tags mit Verlinkung zu Herstellerseiten (…). Diese Kriterien sind vorliegend erfüllt. Sämtliche streitgegenständlichen Motive sind vertaggt, die Zahl der Follower ist erheblich, die Beklagte wird in einem Ranking der erfolgreichsten Influencerinnen geführt.“

Nach der Entscheidung der Richter verletzt die fehlende Kennzeichnung des werblichen Charakters der Beiträge auch § 5a Abs. 6 UWG dar. Hierzu sagen die Richter (Hervorhebung von uns):

„Die Beklagte hat nicht bestritten, dass es an einer Kennzeichnung fehlt. Soweit sie andeutet, dass ihre Follower darum wüssten, dass Blogger auf Instagram häufig durch Werbekooperationen finanziert werden, schließt dieses allgemeine Wissen nicht aus, dass Kooperationen sowie entgeltfinanzierte Inhalte nach den gesetzlichen Vorgaben zu kennzeichnen wären. Die fehlende Kennzeichnung ist aber auch nicht entbehrlich, weil der werbliche Charakter eindeutig aus dem Umfeld der Veröffentlichung folgt. Insbesondere sind selbst followerstarke Profile auf Instagram nicht stets kommerziell motiviert (so aber wohl im Ergebnis OLG München MMR 2020, 772 Rn. 36). Auch der Vortrag der Beklagten widerspricht dieser pauschalen Annahme. Die Beklagte gesteht zu, dass ihre Follower Wert auf Authentizität legen, die in der Tat ein entscheidender Erfolgsfaktor für Influencer ist. Gerade der Eindruck, dass Follower einen Einblick in die durch Werbeeinflüsse und Entgeltfinanzierung unbeeinflusste private, also letztlich „ehrliche“ Lebensführung erhalten, führt dazu, dass die Follower eine Haltung entwickeln, die sie gegenüber werbefinanzierten und daher gerade typischerweise wegen der Bezahlung geäußerten Vorlieben nicht entwickeln (vgl. LG Karlsruhe, BeckRS 2019, 3975, Rn. 30, 34).

Aus Sicht des Senats des OLG kann die Vermutung zugunsten einer überwiegend kommerziellen Absicht im Rahmen des § 5a Abs. 6 UWG nur ausgeschlossen werden, wenn erstens sowohl eine konkrete Entgeltzahlung als auch ein mittelbarer Vorteil seitens des begünstigten Unternehmens ausscheidet. Zweitens darf auch keine einseitige und übermäßige Herausstellung des objektiv begünstigten Unternehmens vorliegen:

 „Diese Wertung berücksichtigt zwar, dass auch die soziale Kommunikation über Instagram-Accounts dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterliegt. Sie trägt aber ebenso dem Umstand Rechnung, dass auch im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 GG Abstufungen dergestalt möglich, dass vorwiegend der Unterhaltung dienende Beiträge einen geringeren Schutz genießen als Beiträge, die journalistisch-redaktioneller Natur sind und gerade dadurch auch der kollektiven Meinungsbildung dienen (z.B. BVerfGE 34, 269, 283; BVerfGE 97, 228, 257; BVerfGE 101, 361, 391; BVerfGE 120, 180 Tz. 65). Damit steht es im Einklang, dass das informative Gewicht der Beiträge einer sozialen Kommunikation auch eine Rolle bei der Beweislastverteilung spielt.“

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe entscheidet das OLG, dass die Influencerin die Vermutung im Rahmen des § 5a Abs. 6 UWG, sie habe überwiegend mit kommerzieller Absicht gehandelt hat, nicht entkräftet hat.

Die Entscheidung steht im Kontext einer Reihe von Urteilen der Oberlandesgerichte zum Influencer-Marketing. Ebenso wie nun das OLG Köln habe weitere Oberlandesgerichte die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, um so eine höchstrichterliche Entscheidung zu den praxisrelevanten Fragen im Influencer-Marketing zu erlangen, nämlich:

Das Argument der Authentizität, welches von Influencern stets ins Feld geführt wird, führt nach dem OLG Köln gerade dazu, dass eine Pflicht zur Kennzeichnung besteht. Diese Überlegung ist nicht abwegig, denn Authentizität schließt es ja an sich aus, dass man sein eigenes Handeln nach den Vorgaben eines umsatzorientierten Werbepartners ausrichtet. Wer authentisch wirken will, muss eben klar trennen, zwischen der Darstellung eigener Gefühle und Gedanken und der Bewerbung eines Produktes Dritter.

Die Richter des OLG sprechen durch ihr Urteil – auch in Richtung BMJV

Bemerkenswert ist, dass die Richter des OLG zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht Stellung nehmen, mit dem eine Neufassung des § 5a Abs. 6 UWG vorgeschlagen wird. Der Gesetzgeber sieht im Hinblick auf das InfluencerMarketing gesetzgeberischen Klarstellungsbedarf. Die hierzu vorgesehenen Regelung des Referentenentwurfs stellt noch kein geltendes Recht dar, ist also für die Lösung des Falles des OLG nicht heranzuziehen, wie die Richter selbst schreiben:

„Die dort gewählte Grundannahme ist aber nach Auffassung des Senats nicht angemessen.“

Zum einen liegt sie derzeit nur Nr. 11 der sog. Blacklist, also dem Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG zu-grunde. § 5a Abs. 6 UWG verlangt für das Vorliegen getarnter Werbung dagegen nicht nur den Nachweis einer Entgeltzahlung. Auch die insoweit maßgebliche Vorgabe in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG geht davon aus, dass eine irreführende Praktik eines Unternehmers vorliegt, „wenn er den kommerziellen Zweck der Geschäftspraxis nicht kenntlich macht, sofern er sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt“. Daher kann der Nachweis einer kommerziellen Absicht auch aus anderen Umständen als der Zahlung eines direkten Entgelts gefolgert werden. Bereits deshalb ist fraglich, ob der Vorschlag im Referentenentwurf richtlinienkonform wäre.“

Erfreulich, wenn Richter in ihren Urteilen auch solche – an sich ja nicht erforderliche – Stellungnahmen abgeben. Hättenmehr Richter zum Beispiel vor Verabschiedung des – von erfahrenen Anwälten fast durchweg kritisierten – Ge­setzes zur Stär­kung des fai­ren Wett­be­werbs ihre Meinung gesagt, wäre der nun eingetretene Schaden durch das neue UWG möglicherweise vermieden worden (hierzu Löffel in NJW). Nun – nach Inkraftreten des neuen UWG – meldet sich zum Beispiel ein erfahrener Richter eines Oberlandesgerichts in sozialen Medien zu Wort und spricht Klartext:

„Ja, der Abmahnmissbrauch existiert in der gerichtlichen Praxis schlicht nicht. Das Ministerium hat sich von einer Lobby einspannen lassen, um ein Problem zu lösen, das es nicht gibt. Und dann das Kind mit ausgeschüttet.“

„Richter sprechen durch ihre Urteile…“ – das ist richtig. Das hindert sie aber freilich nicht, sich kritisch zu äußern. Die Politik kann dankbar für professionelle Kritik von erfahrenen Richtern sein, um erneut Irrtümer, wie im Falle des neuen UWG im Jahr 2020 und damit einhergehende Schäden für den Justizstandort Deutschland, zu vermeiden.

Vor dem Hintergrund, dass beim BGH mehrere Fälle zum Influencer-Marketing anhängig sind (z.B. BGH I ZR 90/20, BGH I ZR 126/20, BGH I ZR 125/20), stellt sich in der Tat die Frage, warum das BMJV zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht (hier im Regierungsentwurf) auch eine Anpassung des § 5a Abs. 6 UWG vorsieht, mit dem Ziel, für mehr Klarheit hinsichtlich der Kennzeichnungspflichten im Influencer-Marketing zu sorgen. In der Literatur wird das geplante Gesetzesvorhaben schon lange kritisiert. So schreibt der bekannte Wettbewerbsrechtler Professor Dr. Helmut Köhler in der WRP 4/2020, dass es keiner neuen gesetzlichen Regelung bedarf:

„Gibt es einen sachlichen Grund für die vorgeschlagene Regelung? Dafür genügen dem BMJV bereits Divergenzen in der Rechtsprechung der Instanzgerichte bei der Beurteilung von Beiträgen von Influencern und Bloggern. Solche Divergenzen sind jedoch kein Einzelfall. Sie zu überwinden und für eine einheitliche Rechtsprechung zu sorgen, ist gerade die Aufgabe des BGH.“

Unklarheiten kann der BGH nun klären (siehe hierzu auch unseren Blog-Beitrag „Influencer Marketing – Höchstrichterliche Klärung in Sicht“). Die derzeit strittigste Frage im Influencer-Marketing, ob Beiträge zu Produkten Dritter gekennzeichnet werden müssen, wenn hierfür von dem beworbenen Unternehmen kein Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung geleistet wurde, liegt dem BGH in mehreren Verfahren ja vor. Das BMVJ liefert Influencern mit der geplanten Neuregelung Steine statt Brot. Denn das geplante Gesetz enthält auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe und damit Potential für viele neue Gerichtsverfahren.

Es droht Schaden

Man kann nur hoffen, dass der Bundesgerichtshof trotz des Vorstoßes des BMJV zeitnah zu den ihm vorgelegten Urteilen entscheidet und die Politik das macht, was sie im Rahmen der UWG-Reform im Jahr 2020 vernachlässigt hat: Auf die Kritik von Experten – wie zum Beispiel auf die Richter des OLG Köln und Professor Dr. Köhler – hören und Fehler vermeiden. Weitere überflüssige Regelungen braucht Deutschland nun wirklich nicht, insbesondere nicht im UWG. Der Gesetzgeber hat mit der UWG-Reform im Jahr 2020 schon genug Schaden angerichtet – wer im UWG tätig ist, stellt das täglich fest.