Von klassischen Konsumgütern wie Lebensmitteln, Spirituosen, Kleidung, Schuhen, Lampen und Lichterketten bis hin zu Autofelgen. Fast alles wird kopiert. Dreiste Trittbrettfahrer oder gar Produkt- und Markenpiraten, die illegal Produkte kopieren, Designs nachahmen, Marken und Patente verletzen, sind die eine Seite. Sie schaden den Rechteinhabern, den Originalherstellern, nicht selten der Umwelt und können sogar Menschenleben gefährden. So zum Beispiel, wenn eine gefälschte Autofelge den Belastungen nicht standhält.
Andererseits ist nicht jede Produktnachahmung – nicht jedes Lookalike oder Copycat Produkt – rechtswidrig. Auch seriöse Marktteilnehmer segeln bewusst hart am Wind: sie nutzen rechtliche Spielräume, wenn sie Produkte vertreiben, die in ihrer Aufmachung an bestehende Produkte erinnern.
Zahlreiche Gerichtsentscheidungen befassen sich mit der Frage, ob ein Produkt oder dessen Verpackung den erforderlichen Abstand zu einem Konkurrenzprodukt einhält. Die Kenntnis der Rechtsprechung und eine möglichst sorgfältige Vorbereitung des Falles sind für den Erfolg im Gerichtssaal bei Lookalike-Streitigkeiten unerlässlich. Kurzum, der Streit um Lookalikes ist eine Sache für Spezialisten.
REGISTRIERTE SCHUTZRECHTE
Was können Originalhersteller tun, um ihre Produkte und Verpackungen zu schützen? Sie sollten ihre Produkte oder Verpackungen möglichst frühzeitig - vor der Produkteinführung - durch geeignete Rechte schützen lassen. In Frage kommen unter anderem Designs, Gemeinschaftsgeschmacksmuster und Marken. Dabei gilt es, mögliche Fallstricke zu vermeiden.
FALLSTRICKE – VORSICHT IM DESIGNRECHT
Unternehmen müssen beim Schutz ihrer Produkte als Design bzw. Gemeinschaftsgeschmacksmuster darauf achten, dass die Muster nicht (lange) vor der Anmeldung öffentlich gezeigt werden. Ein böses Erwachen gab es zum Beispiel beim Sportartikelhersteller Puma. Ein für Puma eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster für Sportschuhe wurde vom Europäischen Markenamt auf Antrag eines Wettbewerbers für nichtig erklärt. Das Europäische Gericht bestätigte die Entscheidung des Amtes (Rechtssache T 647/22, soweit ersichtlich nicht rechtskräftig). Grund für die Löschung waren Instagram-Posts, die anlässlich der Ernennung der bekannten Sängerin und Schauspielerin Rihanna zur neuen Kreativdirektorin von Puma veröffentlicht wurden. Den Posts war zu entnehmen, dass die weltbekannte Sängerin bereits zwei Jahre vor der Anmeldung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters ähnliche Sneaker getragen hatte. Damit verfügten die Geschmacksmuster zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht mehr über die erforderliche Eigenart. Die nachstehende Einblendung aus der Entscheidung zeigt die Veröffentlichung und das dadurch verhinderte Schutzrecht.
SCHUTZ OHNE REGISTRIERUNG
Produkt- und Verpackungsdesigns können auch ohne Eintragung geschützt sein, zum Beispiel durch nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster, die für einen Zeitraum von drei Jahren ab Veröffentlichung in der EU geschützt sind (Art. 11 GGV).
Auch das Urheberrecht kann sich als scharfes Schwert erweisen. Hier stellt sich häufig die Frage, ob das Werk die erforderliche urheberrechtliche Schöpfungshöhe aufweist. Aufgrund des richterlichen Bewertungsspielraums bei der Entscheidung über die Schöpfungshöhe kommt es im Urheberrecht bei vergleichbaren Sachverhalten nicht selten zu divergierenden Entscheidungen, wie die aktuellen gerichtlichen Auseinandersetzungen um Birkenstock-Sandalen anschaulich zeigen. Das Oberlandesgericht Köln verneint Urheberrechtsschutz für die nachstehend aus der Entscheidung eingeblendeten Birkenstock-Sandalenmodelle "Arizona" und "Gizeh“ (Urteil vom 26. Januar 2024 - 6 U 89/23):
Birkenstock-Sandalen (Arizona und Gizeh) Angegriffene Sandalen
Dagegen hat das Oberlandesgericht Hamburg den urheberrechtlichen Schutz des Sandalenmodells „Madrid“ bejaht (Beschluss vom 14. Oktober 2021 - 5 W 40/21):
Der Bundesgerichtshof wird hier für Klarheit sorgen. Das Kölner Verfahren ist dort unter dem Aktenzeichen I ZR 18/24 anhängig.
Langjährige anwaltliche Erfahrung, die Kenntnis des „Case Law“ und der für eine Klage geeigneten Gerichte sind für die Durchsetzung von Urheberrechten unerlässlich. Auf Seiten der Unternehmen ist es entscheidend, bereits bei der Produktentwicklung unter anderem auf eine möglichst lückenlose Dokumentation der einzelnen Entwicklungsschritte und der daran beteiligten Personen zu achten, um im Streitfall effektiv gegen Nachahmer vorgehen zu können.
PRODUKTSCHUTZ DURCH DAS WETTBEWERBSRECHT
Neben gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten gibt es im Kampf gegen Nachahmer und Lookalikes in Deutschland noch eine Möglichkeit: das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Wegen des Grundsatzes der Nachahmungsfreiheit kennt das UWG zwar keinen generellen Schutz vor Nachahmungen. Für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gegen die Nachahmung eines wettbewerblich eigenartigen Produkts ist stets ein unlauteres Verhalten des Mitbewerbers erforderlich. Einen allgemeinen Schutz von Innovationen gegen Nachahmungen sieht das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht vor (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 1. Februar 2024 – 6 U 212/22).
Wenn durch eine Nachahmung eine vermeidbare Herkunftstäuschung mit dem Originalprodukt hervorgerufen wird oder der gute Ruf des Originals ausgebeutet wird, ist das regelmäßig unlauter. Auch hier ist eine Kenntnis der Rechtsprechung unerlässlich, wie folgendes Case Law zeigt:
- Sind das Original und eine Nachahmung qualitativ gleichwertig und werden sie im gleichen hochpreisigen Marktsegment angeboten, kann dies gegen eine Unlauterkeit sprechen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. September 2021 - I ZR 192/20: Vertrieb von E-Gitarren, dazu Abrar, GRUR-Prax 2022, 185).
- Wird hingegen die Nachahmung deutlich günstiger als das hochwertige und gut eingeführte Originalprodukt angeboten, spricht dies gegen den Nachahmer (BGH, Urteil vom 8. November 1984 - I ZR 128/82: Vertrieb von Nachahmung eines bekannten Rolex-Uhrenmodells durch Tchibo, zu einem Bruchteil des Originalpreises).
Auch unterschiedliche Hersteller- und Produktbezeichnungen können gegen eine Herkunftstäuschung und Rufausbeutung sprechen, wenn die Nachahmung nicht mit dem Original identisch ist. Das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass die Gestaltung der Albi-Fruchtsaftflasche keine Rechte an der Granini-Flasche verletzt (Urteil vom 5. Juli 2024, 6 U 131/23).
Besonderheiten können wiederum bei Handelsmarken auf einer Produktnachahmung gelten: Wird eine auf der Nachahmung angebrachte Bezeichnung als Handelsmarke aufgefasst, zum Beispiel als Eigenmarke eines Discounters (was in dem vorgeschilderten Granini-Rechtsstreit nicht der Fall war), soll nach der Rechtsprechung zumindest im Lebensmittelbereich auch bei unterschiedlichen Bezeichnungen auf den sich gegenüberstehenden Produkten oder Verpackungen eine Herkunftstäuschung und Rufausbeutung in Betracht kommen.
Im Gerichtssaal stellt sich vor diesem Hintergrund regelmäßig die Frage, was denn der Verbraucher, der eine Bezeichnung auf einem Produkt erkennt, darin sieht. Sieht der Verbraucher eine Herstellermarke, eine Herstellerbezeichnung, eine Produktbezeichnung oder eine Handelsmarke (vgl. Abrar, GRUR-Prax 2024, 79)? Die Frage, ob der Verkehr einer Bezeichnung herkunftshinweisende Funktion beimisst, kann für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidend sein. Dabei bedeutet die markenmäßige Verwendung einer Bezeichnung im Sinne des Markenrecht auf einem nachgeahmten Produkt nicht ohne Weiteres, dass der Verbraucher durch das Lookalike nicht über die Herkunft getäuscht wird. So soll der Aufdruck „Hensslers Garten Glück“ auf einer nachgeahmten Smoothie-Flasche nach einer neuen Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln nicht gegen eine Herkunftstäuschung sprechen, wenn der Verkehr sich hinsichtlich der betrieblichen Herkunft an der Gestaltung der seit Jahren eingeführten und im Markt stark präsenten Originalflasche orientiert und dieser daran gewohnt ist, dass der Hersteller des Originals auch bisher schon mit bekannten Werbeträgern kooperiert hat (Urteil vom 12. Juli 2024 – 6 U 155/23).
PRAXISTIPP
Originalhersteller können die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens gegen unliebsame Nachahmer erhöhen, wenn sie ihre „Hausaufgaben“ machen und nachweisen können, dass ihr Originalprodukt in Deutschland in relevantem Umfang vertrieben wurde bzw. wird. Wir helfen Ihnen, vorbereitet zu sein und sagen Ihnen, welche Informationen und Nachweise dokumentiert und archiviert werden müssen, damit es im Gerichtssaal nicht zu bösen Überraschungen kommt.
Wer sich dagegen als Unternehmen gegen den unberechtigten Vorwurf der Nachahmung verteidigen muss, braucht Anwälte mit detektivischen Fähigkeiten. Denn gerade bei Angriffen kommt es darauf an, schnell zu recherchieren, ob das Schutzrecht eines Angreifers beseitigt oder der wettbewerbsrechtliche Schutzumfang eines Produkts mit überzeugenden Argumenten in Frage gestellt werden kann.