Schon länger gehen Verbraucherschutzverbände verstärkt gegen Verstöße gegen die vergleichsweise neue Vorschrift aus § 11 PAngV vor. Nach dieser Vorschrift sind Händler bei Preisermäßigungen (wie Rabatten) verpflichtet, den günstigsten Preis der letzten 30 Tage (sog. Referenzpreis) anzugeben.

Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass Händler kurz vor einer geplanten Preisermäßigen den Verkaufspreis kurzfristig anheben, um sodann die beworbene Preisermäßigung nach diesem (tatsächlich nie wirklich geforderten) Preis zu berechnen und zu bewerben. Diese Praxis ist unter dem Schlagwort „Werbung mit Mondpreisen“ bekannt und war bereits vor der Neuregelung wettbewerbswidrig. 

Erste Entscheidungen zur Auslegung von § 11 PAnGV

Die Neuregelung wirft allerdings zahlreiche Fragen auf und beschäftigt schon jetzt die Gerichte.  Eine Frage, die zum Beispiel der Verband sozialer Wettbewerb (VSW) gerichtlich klären lassen wollte, war die, ob bei einer Werbung mit einem durchgestrichenen Preis der Händler angeben muss, dass dieser durchgestrichene Preis der von § 11 PAngV geforderte Referenzpreis ist. Nach Auffassung des VSW sei es für den angesprochenen Verbraucher nicht erkennbar, dass der durchgestrichene Preis auch der Referenzpreis darstelle. Vor diesem Hintergrund seien Händler verpflichtet, durch geeignete Zusätze darauf hinzuweisen, dass dieser durchgestrichene Preis der Referenzpreis sei und nicht beispielsweise nur eine unverbindliche Preisempfehlung (UVP).

Das Landgericht Düsseldorf (Beschl. v. 13.9.2022 – 38 O 144/22) hat diese Auffassung im Wege einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung zunächst bestätigt. Im darauffolgenden Widerspruchsverfahren hat das Landgericht Düsseldorf dann jedoch festgestellt, dass der Referenzpreis nicht mit einem zusätzlichen aufklärenden Hinweis erläutert werden müsse (LG Düsseldorf, Urt. v. 11.11.2022 – 38 O 144/22). Weder der Wortlaut noch die Gesetzesbegründung zu § 11 Abs. 1 PAngV sehen eine solche Pflicht vor. Auch eine systematische Auslegung komme nicht zu einem anderen Ergebnis.

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Indem der Händler neben den ermäßigten Preis den durchgestrichenen Referenzpreis angibt, macht er das, was von ihm nach § 11 Abs. 1 PAngV gefordert wird. Pauschal von den Händlern zusätzlich zu verlangen, dass diese stets angeben müssen, dass es sich bei dem durchgestrichenen Preis auch und gerade um den Referenzpreis handelt, wäre das eine sehr strenge Anwendung der Pflicht aus § 11 Abs. 1 PAngV. Dann stellt sich auch die Frage, wie der weitergehende Hinweis zu rechtskonform zu erfolgen hat. Die Angabe „Referenzpreis“ würde sicher nicht die notwendige Transparenz herbeiführen, da den Verbrauchern diese Bezeichnung nicht bekannt sein dürfte. Auch die Angabe „niedrigster Preis, der in den letzten 30 Tagen verlangt wurde“ dürfte nicht von Unternehmen verlangt werden. Am Preis selbst ließe sich der Hinweis also kaum sinnvoll erteilen, sodass der aufklärende Hinweis letztlich nur über einen Sternchenhinweis in einer Fußnote erteilt werden könnte. Es leuchtet ein, dass auch diese Variante einen erheblichen Mehraufwand für die Händler bedeuten würde. Dieser stellt sich allerdings als unverhältnismäßig dar, wenn man unterstellt, dass Verbraucher bei bloßen Streichpreisen keiner Fehlvorstellung über den Inhalt dieser Preisangabe unterliegen. Vor diesem Hintergrund ist es gut, dass das Landgericht Düsseldorf seine Entscheidung im Widerspruchsverfahren korrigiert hat und von einer solch strengen Auslegung absieht.

EuGH verschärft die Auslegung auch von § 11 PAnGV

Das Landgericht Düsseldorf musste sich allerdings kurz darauf erneut mit einer Preiswerbung befassen, die in den Anwendungsbereich von § 11 PAnGV fällt. Es ging dabei um eine Werbung in einem Prospekt von ALDI: 

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(Bildquelle: Entscheidung des EuGH v. 26.9.2024 - C-330/23)

Die klagende Verbraucherzentrale war der Ansicht, dass die in der dargestellten Werbung angegebene Preisermäßigung nicht auf der Grundlage des Preises beworben werden durfte, den das Unternehmen kurz vor der Werbung einmal vom Kunden verlangt hatte. Vielmehr müsse sich die beworbene Preisermäßigung auf den niedrigsten Preis beziehen, den das Unternehmen innerhalb der letzten 30 Tage vom Kunden verlangt hatte. Das Unternehmen verstoße nach dieser Ansicht auch dann gegen § 11 PAngV, wenn zusätzlich auch der niedrigste Preis der letzten 30 Tage angegeben werde. Das angerufene Landgericht Düsseldorf tendierte dazu, diese Auslegung von § 11 PAngV als zu streng einzustufen, legte dem EuGH jedoch folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

  • Ist Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/6 dahin auszulegen, dass ein Prozentsatz, der in einer Bekanntgabe einer Preisermäßigung genannt wird, ausschließlich auf den vorherigen Preis im Sinne von Art. 6a Abs. 2 der Richtlinie 98/6 bezogen sein darf?
  • Ist Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie dahin auszulegen, dass werbliche Hervorhebungen, mit denen die Preisgünstigkeit eines Angebots unterstrichen werden soll (beispielsweise die Bezeichnung des Preises als „Preis-Hightlight“), dann, wenn sie in einer Bekanntgabe einer Preisermäßigung verwendet werden, auf den vorherigen Preis im Sinne von Art. 6a Abs. 2 der Richtlinie 98/6 bezogen sein müssen?

In seinem Urteil vom 26. September 2024 (C-330/23) schloss sich der EuGH der strengen Auslegung der Verbraucherzentrale an und stellte fest, dass Art. 6a Abs. 1 und 2 RL/98/6/EG – der Grundlage für die nationale Regelung in § 11 PAngV ist – dahin auszulegen ist, dass er verlangt, dass eine Preisermäßigung für ein Erzeugnis, die von einem Händler in Form eines Prozentsatzes oder einer Werbeaussage, mit der Vorteilhaftigkeit des angegebenen Preises hervorgehoben werden soll, bekannt gegeben wird, auf der Grundlage des „vorherigen Preises“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels zu bestimmen ist.

Damit verschärft der EuGH die Werbung mit Preisermäßigungen. Der EuGH begründet seine Entscheidung unter anderem damit, dass es Ziel der RL/98/6/EG sei, für transparentere Informationen für Verbraucher zu gewährleisten. Zudem müsse der Verkaufspreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein, damit die Informationen genau, transparent und unmissverständlich seien (Rn. 22). Zudem diene Art. 6a der Richtlinie dem spezifischen Ziel, die Verbraucher vor einer Irreführung zu schützen, die darin liege, dass Unternehmen den angewendeten Preis vor der Bekanntgabe einer Preisermäßigung erhöhen und damit gefälschte Preisermäßigungen ankündigten (Rn. 25). Wörtlich führt der EuGH zudem aus:

„Eine Auslegung von Art. 6a Abs. 1 der Richtline 98/6 dahin, dass es genügen würde, in der Bekanntgabe einer Preisermäßigung den „vorherigen Preis“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels als bloße Information zu nennen, ohne dass diese Ermäßigung tatsächlich auf der Grundlage des vorherigen Preises bestimmt wird, würde es den Händlern somit ermöglichen, unter Missachtung dieses spezifischen Ziels die Verbraucher irrezuführen, indem Preisermäßigungen bekannt gegeben werden, die nicht real sind und dem Ziel von Art. 6a der Richtlinie zuwiderlaufen.“

Auswirkungen auf die Praxis der Preiswerbung

Die Entscheidung des EuGH führt zu einer strengeren Auslegung auch von § 11 PAngV. Mangelnde Transparenz kann man der angegriffenen Werbung dabei allerdings nur bedingt vorwerfen, denn tatsächlich wird neben dem Preis, auf dem sich der Rabatt bezieht auch der sog. Referenzpreis im Sinne von § 11 PAngV genannt. Damit wird sogar offengelegt, dass der Verbraucher trotz der Preisermäßig schlechter steht, als vor Anwendung des Preises, auf den sich der konkrete Rabatt bezieht. Gleichwohl sieht der EuGH hier die Gefahr, dass ein Händler diese Form der Preisauszeichnung nutzt, um nur kurzfristig den Verkaufspreis anzuheben, um dann einen (vermeintlichen) Rabatt bewerben zu können.

Die Entscheidung wird für Kontroversen führen. Auf Seiten der Unternehmen wird man weiter eingeschränkt, Rabattaktionen werblich herauszustellen. Verbraucherschutzverbände sehen sich mit der Entscheidung bestätigt. Wie auch immer man diese Entscheidung als Händler findet, man wird nicht darum herumkommen, sich künftig an diesen Leitlinien des EuGH zu orientieren.  Eine Erkenntnis bleibt jedoch: die Werbung mit Rabatten ist durch die Entscheidung des EuGH gerade nicht verboten oder unmöglich gemacht worden. Die Leitplanken, innerhalb derer die Händler ihre Preiswerbung planen müssen, sind allerdings noch einmal deutlich enger geworden.   

 

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