Nachdem der EuGH (Urt. v. 26.9.2024 - C-330/23) erst kürzlich eine wichtige Auslegungsfrage zu Art. 6a RL 98/6/EG und damit auch zu § 11 PAngV beantwortet hatte (wir berichteten zu dieser Entscheidung auf unserem Blog hier: "Die Werbung mit Preisermäßigungen nach § 11 PAngV– EuGH trifft praxisrelevante Entscheidung!""Die Werbung mit Preisermäßigungen nach § 11 PAngV– EuGH trifft praxisrelevante Entscheidung!"), hatte bereits am 24. September 2024 das OLG Nürnberg (3 U 460/24) ebenfalls zu § 11 PAngV und einer Werbung mit einem Preisnachlass entschieden.

Welche Werbung mit Preisermäßigungen wurde beanstandet?

Beanstandet wurde die folgende Werbung für einen Preisnachlass in einem Werbeprospekt:

(Bildquelle: Entscheidung des OLG Nürnberg v. 24.9.2024 - 3 U 460/24)

Laut der Feststellungen des Gerichts verwies das nach der Preisangabe "6,99" hochgestellt Sternchen auf einen am Seitenende befindlichen Hinweis, dass das Produkt bei dem Discounter erhältlich sei. Die nach der Preisangabe "6,99" hochgestellt Ziffer 1 verwies hingegen auf einen sich am Seitenende befindenden und in kleinerer Schriftgröße gehaltenen Text mit folgendem Inhalt "Bisheriger 30-Tage-Bestpreis, außer: Jacobs Krönung 4.44, Mon Chéri 2.39, Wiener Würtschen 5.79, Bittburger Premium Pils oder Alkoholfrei 9.99". Die Beklagte verlangte für das Produkt Jacobs Krönung zwar in der Vorwoche der Werbung den Preis von 6,99 €. Allerdings wurde in der Vorvorwoche bereits der Preis in Höhe von 4,44 € erhoben. Hierin sah die Klägerin einen Verstoß gegen die Vorschrift aus § 11 PAngV und verklagte die Beklagte nach erfolgloser Abmahnung beim Landgericht Amberg. Dieses verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 29.1.2024 zur Unterlassung. Das Landgericht stellte zwar in seiner Begründung fest, dass die Angaben objektiv betrachtet zutreffend seien und isoliert betrachtet den Anforderungen der PAngV genügen würden. Aufgrund der Komplexität der in der konkreten Aufmachung enthaltenen Informationen sei die Werbung jedoch in der Gesamtschau geeignet, den Verbraucher zu täuschen.

OLG Nürnberg setzt das Verfahren nicht mit Blick auf die Rechtssache C-330/23 aus

Die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des LG Amberg bleib weit überwiegend erfolglos. Nach Auffassung des Senats stelle die streitgegenständliche Werbung der Beklagten einen wettbewerbsrechtlich relevanten Verstoß gegen das Irreführungsverbot der § 5a Abs. 1, Abs. 2, § 5b Abs. 4 UWG, § 11 Abs. 1 PAngV dar. Das OLG Nürnberg musste sich sodann eigentlich mit der Frage befassen, ob als Bezugspunkt für die Berechnung einer in Prozent ausgedrückten Preisermäßigung nur der Referenzpreis im Sinne von § 11 PAngV herangezogen werden darf. In den Randziffern 21 f. stellt der Senat die beiden gegenüberstehenden Ansichten hierzu ausführlich dar (hier nur in der gebotenen Kürze):

  • Nach der einen Ansicht kann der Händler den Bezugspunkt der von ihm beworbenen Preisermäßigung unter Beachtung des lauterkeitsrechtlichen Irreführungsverbots frei wählen und muss bei der Werbung mit einer Preisherabsetzung eine beworbene Preisermäßigung keineswegs anhand des Referenzpreises berechnen oder angeben. Auch Art. 6a Preisangabenrichtlinie regele seinem Wortlaut nach nur, wann und unter welchen Bedingungen welche Informationen bereitzustellen seien;
  • Nach der anderen Ansicht kann § 11 PAngV auch eine Pflicht entnommen werden, die Preisermäßigung gerade anhand des Referenzpreises zu berechnen. Hierfür spreche insbesondere der Schutzzweck der Norm, da die Berechnung der Preisermäßigung aus einem anderen Preis verwirrend erscheinen.

Am Ende hatte das OLG Nürnberg diese Frage nicht selber beantworten wollen, weil es die Werbung aus einem anderen Gesichtspunkt für irreführend ansah. Gleichwohl ließ der Senat erkennen, dass er tendentiell der zweitgenannten Ansicht folgen würde, wenn er lediglich festhält:

"Aus Sicht des Senats spricht zwar viel dafür, dass die streitgegenständliche Werbung bereits deshalb unterlauter ist, weil sich die Berechnung der in Prozent ausgedrückten Preisermäßigung nicht auf den Referenzpreis bezieht. Der Senat lässt jedoch diese Frage - weil nicht entscheidungserheblich - offen."

Aus diesem Grund musste das OLG Nürnberg das Verfahren auch nicht aufgrund des anhängigen Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH in der Rechtssache C-330/23 aussetzen und konnte unmittelbar entscheiden. 

Werbung mit Preisermäßigung muss sich an dem Grundsatz der Preisklarheit orientieren

Nach Ansicht des Senats sei § 11 Abs. 1 PAngV dahingehend auszulegen, dass diese Vorschrift nicht nur verlange, (irgendwie) den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben, den der Unternehmer innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung gegenüber Verbrauchern tatsächlich angewendet hat, sondern auch Vorgaben dahingehend enthält, dass dies auf eine Art und Weise zu geschehen habe, die der Verbraucher nachvollziehen könne und für diesen verständlich sei. 

§ 11 PAngV bezweckt eine Verbesserung der Verbraucherinformation in den Fällen, in denen eine Preisermäßigung zu Werbezwecken genutzt wird: Verbrauchern soll es ermöglicht werden, Preisermäßigungen für Waren besser einzuordnen und ihre Preiswürdigkeit einzuschätzen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 42. Aufl. 2024, PAngV § 11 Rn. 2; BeckOK UWG/Laoutoumai, 24. Ed. 1.4.2024, PAngV § 11 Rn. 3; OLG Hamburg GRUR 2023, 654 Rn. 21 – getrocknete Ananas). Dieses Ziel kann nur dann erreicht werden, wenn für die Empfänger der Informationen diese auch nachvollziehbar und verständlich sind.

Letztlich folge dies bereits aus dem in § 1 Abs. 3 S. 2 PAngV geregelten Grundsatz der Preisklarheit. Dieser Grundsatz betreffe die Art und Weise der Preisangaben und bedeute, dass der Adressat ihn ohne Weiteres erkennen und verstehen könne. Auch alle weiteren Normen der Preisangabenverordnung, die die Art und Weise der Preisangaben betreffen, seien im Lichte des Grundsatzes der Preisklarheit auszulegen. Dies gelte somit auch für die Vorgaben aus § 11 PAngV.   

Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände der streitgegenständlichen Werbung hat der Senat diese als irreführend eingestuft:

Problematisch ist bereits, dass dem Verbraucher in der angegriffenen Werbeangabe insgesamt vier Preisinformationen angezeigt werden: Er sieht einen prozentualen Preisvorteil in Höhe von 36%, den derzeit verlangten Preis in Höhe von 4,44 €, den zuvor verlangten Streichpreis in Höhe von 6,99 € und in dem Fußnotentext zusätzlich den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage in Höhe von 4,44 €. Diese Vielzahl an Informationen, die in der Werbung kombiniert werden, sind für den Durchschnittsverbraucher mehr verwirrend, als dass Klarheit in Bezug auf den Preisvorteil und den Referenzpreis geschaffen wird: Durch die Angabe des Streichpreises und der sich daraus ergebenden prozentualen Rabatthöhe erfolgt vielmehr eine Ablenkung von dem nach § 11 Abs. 1 PAngV maßgeblichen Referenzpreis.

Die Preiswerbung kombiniert jedoch nicht nur vier verschiedene Preisinformationen (prozentuale Rabatthöhe, derzeit verlangter Preis, Streichpreis und niedrigster Preis der letzten 30 Tage), sondern bezieht zusätzlich noch den – plakativ hervorgehobenen – angegebenen prozentualen Preisvorteil auf den zuvor verlangten Preis, statt auf den für den Verbraucher – auch vor dem Hintergrund der normativen Verbrauchererwartung – aussagekräftigeren niedrigsten Preis der letzten 30 Tage. Die Ermäßigung wird mithin zweimal, und zwar jeweils in plakativer Weise, in Bezug zum zuletzt verlangten Preis gesetzt, während der niedrigste Preis, zu deren Angabe die Beklagten gesetzlich verpflichtet ist, nur einmal in weniger deutlicher Weise erwähnt wird.

[...]

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich der „aufklärende“ Hinweis im Fußnotentext nicht auf die beworbene prozentuale Preisermäßigung von „-36%“ bezieht, weil an dieser Angabe keine Fußnote enthalten ist. Zudem verweist das nach der Preisangabe „6.99“ hochgestellte Sternchen auf einen weiteren am Seitenende befindlichen Hinweis mit völlig anderen Informationen zur Verfügbarkeit des Produkts in bestimmten Filialen.

Ausblick für die Praxis

Das OLG Nürnberg konnte trotz des zum Entscheidungszeitpunkt noch anhängigen Verfahrens beim EuGH in der Rechtssache C-330/23 auf eine Aussetzung des Verfahrens verzichten, weil die beanstandete Werbung aus anderen Gründen unzulässig war. Auch Werbung mit einer Preisermäßigung muss sich am Grundsatz der Preisklarheit ausrichten. Sie darf nicht aufgrund ihrer Gesamtschau in sich widersprüchlich und dadurch irreführend sein. Das verklagte Unternehmen hatte es mit Blick auf die Anforderungen aus § 11 PAngV offenbar zu gut gemeint mit den erteilten Informationen. Der Senat stellte zwar positiv heraus, dass die Informationen jeweils für sich vermutlich (alle) zutreffend seien und damit eigentlich nicht zu beanstanden sind. Durch die Vielzahl von Informationen, deren Beziehung zueinander unklar ist, ist dem angesprochenen Verkehrskreis dann eine informierte Entscheidung zu treffen nicht mehr möglich.

Unternehmen, die mit Preisermäßigungen werben wollen, müssen darauf achten, die Verbraucher nicht mit zahlreichen - für sich zutreffenden - Einzelinformationen zu erschlagen. Diese Gefahr besteht immer dann, wenn man neben dem Referenzpreis und dem ermäßigten Preis, noch einen weiteren Preis in seiner Werbung angibt. Auch wenn dies rechtlich zulässig ist, wie der Senat ausdrücklich festgestellt hat,  birgt das die Gefahr der Verwirrung beim Verbraucher. Letztlich kann man der Entscheidung zudem entnehmen, dass auch das OLG Nürnberg der Auffassung ist, dass Bezugspunkt einer Preisermäßigung stets nur der Referenzpreis im Sinne von § 11 PAngV sein kann. Damit hatte das OLG Nürnberg in seiner Entscheidung bereits das angedeutet, was der EuGH zwei Tage später in seiner Entscheidung in der Sache C-330/23 ebenfalls festgestellt hat. 

 

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