Das OLG Karlsruhe zu den strengen Anforderungen aus § 13 UWG
In seinem Urteil befasste sich das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urt. v. 13.11.2024 – 6 U 38/24) unter anderem mit den rechtlichen Anforderungen an eine Abmahnung nach § 13 UWG und zeigte noch einmal auf, welche Konsequenzen handwerkliche Fehler bei der Abfassung haben könne. Ein weiterer Schwerpunkt – auch wenn es hierauf eigentlich nicht mehr ankam – ist die Frage, ob eine Preisanpassung durch Schweigen vereinbart werden kann. In dem Verfahren ging es um ein Schreiben eines Versicherungsvertreters, das Verbrauchern eine Vertragsänderung mit erweiterten Leistungen und höheren Beiträgen ankündigte, falls sie nicht binnen 14 Tagen widersprechen. Gegen diese Praxis wandte sich eine qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG. Bereits in der Vergangenheit hatten Verbraucherzentralen eine vergleichbare Praxis von Kreditinstituten rechtlich beanstandet und vom BGH Recht bekommen. Umso erstaunlicher ist, dass ein solches Vorgehen auch heute noch versucht wird. Die Entscheidung ist allerdings auch aus lauterkeitsrechtlichen Gründen interessant.
Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG Karlsruhe (6 U 38/24) hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab. Die wesentlichen Kernpunkte der Entscheidung waren:
Unzulässigkeit der Zustimmungsfiktion: Das Gericht urteilte, dass Schweigen auf ein Vertragsangebot grundsätzlich keine Annahme darstellt. Es betonte, dass eine rechtlich bindende Vertragsänderung ohne explizite Zustimmung des Verbrauchers nicht möglich ist, da weder gesetzliche noch vertragliche Grundlagen für eine solche Anpassung vorlagen. Der Verweis des Beklagten auf § 40 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) wurde zurückgewiesen, da diese Vorschrift nur ein Kündigungsrecht, nicht aber ein Anpassungsrecht vorsieht.
Wörtlich führt der Senat hierzu unter anderem aus:
Dass ein Änderungsvertrag durch einen in dem Schreiben liegenden Antrag (§ 145 BGB) und dessen Annahme im Sinn von § 147 BGB durch bloße Untätigkeit (Schweigen) des Versicherers zustande käme, macht der Beklagte nicht geltend. Das wäre auch nicht der Fall. Schweigen bedeutet im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Zustimmung («Qui tacet consentire non videtur.»). Deshalb kann das Schweigen des Empfängers auf ein ihm unterbreitetes Vertragsangebot grundsätzlich nicht als Annahme des Angebots verstanden werden (vgl. BGH, NJW 2018, 296 Rn. 21 mwN). Das schließt es zwar nicht aus, auch dem Schweigen nach der Verkehrssitte unter bestimmten Umständen sowohl bei verkörperten als auch bei nicht verkörperten Angeboten einen Erklärungswert beizumessen und es daher als Annahme zu werten. Eine Verpflichtung, einen empfangenen Antrag ausdrücklich abzulehnen, besteht jedoch grundsätzlich nicht, und zwar auch dann nicht, wenn die andere Partei – wie hier – erklärt, Schweigen als Annahme verstehen zu wollen (vgl. BGH, NJW 2018, 296 Rn. 21 mwN). Besondere Umstände, wonach der Beklagte das Ausbleiben einer Antwort eines Versicherungsnehmers auf ein Schreiben wie das hier gegenständliche als Annahme eines Vertragsänderungsangebots verstehen dürfte, sind nicht ersichtlich.
Abmahnung nach § 13 UWG: Die Abmahnung wurde als unberechtigt angesehen, da der Unterlassungsanspruch vor Ablauf der gesetzten Frist zur Unterwerfung verjähren würde. Ein solcher Verfahrensmangel führt laut Gericht dazu, dass die Abmahnung nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 3 UWG genügt. Hierzu heißt es in der Entscheidung wörtlich:
Die Abmahnung erweist sich aber schon deshalb als im Ergebnis nicht berechtigt, weil bei der Abmahnung feststand, dass der Unterlassungsanspruch verjähren würde, bevor die eingeräumte Frist zur Unterwerfung endet.
Auswirkungen für die Praxis
Anforderungen an Abmahnungen: Das Urteil verdeutlicht, dass Abmahnungen präzise und mit Blick auf die Anforderungen aus § 13 UWG gestaltet sein müssen. Die gesetzte Frist zur Unterwerfung darf nicht so bemessen sein, dass sie den Eintritt der Verjährung eines Unterlassungsanspruchs überschneidet. Andernfalls ist die Abmahnung unwirksam, was erhebliche Konsequenzen für die Kostenerstattung haben kann.
Das OLG Karlsruhe stellt noch einmal fest, dass Fehler bei der Abfassung der Abmahnung auch Folgen für die weitere gerichtliche Verfolgung des Unterlassungsanspruchs haben können:
Wollte man die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs mit der vorliegenden Abmahnung aus diesem Grund für unzulässig erachten, hätte dies allerdings nicht nur zur Folge, dass die Abmahnung nicht berechtigt im Sinn von § 13 Abs. 3 UWG wäre und daher der Erstattungsanspruch auch aus diesem Grund unbegründet wäre (vgl. BGH, GRUR 2019, 199 Rn. 40 mwN - Abmahnaktion II), sondern würde darüber hinaus auch zur Unzulässigkeit der gerichtlichen Geltendmachung desselben Unterlassungsanspruchs führen (vgl. BGHZ 149, 371, 379 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; BGH, GRUR 2012, 730 Rn. 47 mwN - Bauheizgerät; GRUR 2023, 1116 Rn. 14 mwN - Aminosäurekapseln). Da die Rechtsprüfung vorliegend ergibt, dass der Verletzungsunterlassungsanspruch jedenfalls als unbegründet abzuweisen ist, kann indes die Zulässigkeitsfrage, ob seine gerichtliche Durchsetzung missbräuchlich im Sinn von § 8c Abs. 1 UWG ist, offenbleiben (vgl. BGH, GRUR 1999, 509 - Vorratslücken; Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 8c Rn. 3).
Grenzen der Zustimmungsfiktion: Unternehmen müssen berücksichtigen, dass Schweigen von Verbrauchern nicht als Zustimmung gewertet werden kann, es sei denn, dies ist ausdrücklich gesetzlich vorgesehen. Zustimmungsfiktionen, wie sie im vorliegenden Fall versucht wurden, sind in der Praxis unzulässig und können rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Von der BaFin beaufsichtige Unternehmen wie beispielsweise Banken und Versicherungsunternehmen müssen zudem mit einer Beanstandung der BaFin rechnen. Diese hat bereits in 2021 auf die oben zitierte Entscheidung des BGH hingewiesen und die Kreditinstitute zur Zurückzahlung der Beiträge aufgefordert. Hierneben besteht die Möglichkeit für Verbrauchschutzverbände, die aus dieser Praktik erzielten Gewinne über § 10 UWG bei den Unternehmen abzuschöpfen.
Bewertung der Entscheidung
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe zeigt noch einmal deutlich auf, dass die Abfassung von lauterkeitsrechtlichen Abmahnungen nach der Neufassung von § 13 UWG sorgfältig und gewissenhaft erfolgen sollte, um sich auch prozessuale Rechte nicht endgültig abzuschneiden. Ein handwerklicher Fehler bei der Abmahnung kann für Unternehmen weiterreichende Folgen haben, selbst wenn der materiell-rechtliche Unterlassungsanspruch gegen den Mitbewerber besteht. So kann beispielsweise der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits deswegen zurückgewiesen werden, weil die außergerichtliche Abmahnung nicht den Anforderungen aus § 13 UWG entsprach.
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