Durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) müssen ab dem 29.06.2025 Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr barrierefrei sein (einen ausführlichen Überblick hierzu finden Sie auf unserer Fokusseite „Digitale Barrierefreiheit“). In der praktischen Umsetzung stellt sich für Unternehmen die Frage, was alles unter "Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr" fällt und ob dies auch E-Mails umfasst. Dieser Beitrag gibt Aufschluss darüber.

Was sind Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr?

Der Begriff der Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr wird in § 2 Nr. 26 BFSG wie folgt definiert:

„digitale Dienste nach § 1 Absatz 4 Nummer 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden.“

Laut Gesetzesbegründung handelt es sich um Ferndienstleistungen, die elektronisch erbracht werden, indem sie über elektronische Datenverarbeitungssysteme übermittelt werden. Nach dieser Definition wären E-Mails nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Gelten E-Mails als Dienstleistungen?

Allerdings gibt es zwei entscheidende Einschränkungen:

  1. Die Dienstleistungen müssen über Webseiten oder mobile Anwendungen angeboten werden.
  2. Sie müssen auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags abzielen.

E-Mails als Kommunikationsmittel sind jedoch keine Webseiten oder Apps. Daher würde eine enge Auslegung des BFSG dazu führen, dass sie nicht in den sachlichen Anwendungsbereich fallen.

Zur Einordnung von E-Mails/Newsletter ausführlich:

Die Begriffsbestimmung des BFSG verweist für eine tiefergehende Definition des digitalen Dienstes auf die Regelungen im Digitiale-Dienste-Gesetz (DDG). Hierdurch wird auch der Begriff des Telemediums, welcher noch unter dem Anwendungsbereich des TMG galt, abgelöst (HK-DDG/Gerdemann, DDG, § 1, Rn. 19; jurisPK Internetrecht/Wiedemann, Kap. 1.2, 8. Aufl. 2024, Rn. 131). Vor In-Kraft-Treten des DDG lautete die Definition in § 2 Nr. 26 BFSG (a.F.) daher auch noch (Auslassungen nur hier):

Dienstleistungen der Telemedien, die (…)

Für eine Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr muss es sich im ersten Schritt folglich nicht mehr um ein Dienst der Telemedien, sondern um einen digitalen Dienst im Sinne von § 1 Abs. 4 Nr. 1 DDG handeln. § 1 Abs. 4 Nr. 1 DDG verweist seinerseits wiederum auf eine Definition in Art. 1 Abs. 1 b) RL (EU) 2015/1535 (Hierzu auch HK-DDG/Gerdemann, DDG, § 1, Rn. 19; jurisPK Internetrecht/Wiedemann, Kap. 1.2, 8. Aufl. 2024, Rn. 132):

„digitaler Dienst“ ein Dienst im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1);

Nach Art. 1 Abs. 1 b) RL (EU) 2015/1535 ist ein „Dienst“ eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d.h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Die Dienstleistung muss folglich

  • im Fernabsatz,
  • auf elektronische Art und Weise
  • sowie auf individuellen Abruf eines Empfängers

erbracht werden. Während die beiden ersten Voraussetzungen bei E-Mails und Newsletter unzweifelhaft vorliegen, dürfte dies bei der dritten Voraussetzung zweifelhaft sein.

Nach Art. 1 Abs. 1 b) RL (EU) 2015/1535 liegt ein individueller Abruf eines Empfängers vor, wenn die Dienstleistung durch die Übertragung von Daten auf eine individuelle Anforderung erbracht wird. Mit diesem Erfordernis werden Dienste ausgeschlossen, die im Wege einer Datenübertragung ohne individuellen Abruf gleichzeitig für eine unbegrenzte Anzahl an Empfängern erbracht werden (HK-DDG/Gerdemann, DDG, § 1, Rn. 21). Insoweit unterscheidet sich der Begriff des digitalen Dienstes vom Begriff Telemedien, denn dieser umfasste auch Dienste, die nicht auf individuellen Abruf erbracht werden (HK-DDG/Gerdemann, DDG, § 1, Rn. 21).

Ein Dienst wird allerdings nur auf individuellen Abruf erbracht, wenn die Leistungserbringung auf eine individuelle Anforderung eines Nutzers erbracht wird, die Initiative für die Leistungserbringung also nicht vom Diensteanbieter ausgeht (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, DSA, Art. 3, Rn. 25). Dies ist bei linearen Diensten oder Verteilerdienste im Sinne vom mittlerweile aufgehobenen § 2 Nr. 4 TMG gerade nicht der Fall (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, DSA, Art. 3, Rn. 26; HK-DDG/Gerdemann, DDG, § 1, Rn. 21). Ausgeschlossen sind also Dienste, welche auf Initiative des Diensteanbieters und nur zu einem von diesem bestimmten Zeitpunkt Daten übermitteln (jurisPK Internetrecht/Wiedemann, Kap. 1.2, 8. Aufl. 2024, Rn. 149, der in dieser Randnummer Newsletter ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich nimmt, aber in Rn. 135 noch die kommerzielle Versendung von Werbe-E-Mails als vom Anwendungsbereich erfasst ansieht.). Der weite Begriff der Telemedien erfasste sowohl Abruf- als auch Verteilerdienste (Lorenz, AnwZert ITR 14/2024, Anm. 3.). Von diesem weiten Anwendungsbereich löst sich der Begriff des elektronischen Dienstes mit dem Merkmal „auf individuellen Abruf“ und erfasst nunmehr nur noch Abrufdienste. Bei einem Newsletter handelt es sich jedoch nicht um einen Abrufdienst, sondern um einen Verteilerdienst, denn die Zusendung der einzelnen Newsletter erfolgt auf Initiative und zu einem vom Versender bestimmten Zeitpunkt (Lorenz, AnwZert ITR 14/2024, Anm. 3.). Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Empfänger sich einmalig für einen Newsletter angemeldet hat. Dies würde auch zu ungewollten Widersprüchen führen, denn Newsletter und Werbemails, die sich allein an Bestandskunden richten und auf Basis von § 7 Abs. 3 UWG versendet werden, erfordern gerade keine vorherige Registrierung. Hier erfolgt die Versendung unzweifelhaft nicht auf individuelle Anforderung des Empfängers, sondern allein auf Veranlassung des Versenders. Die besseren Gründe sprechen dafür, beide Fälle einheitlich zu behandeln und nicht von einem digitalen Dienst auszugehen. Newsletter stellen danach keine Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr im Sinne von § 2 Nr. 26 BFSG dar.

Das Gleiche gilt im Ergebnis auch für sonstige geschäftliche Individualkommunikation per E-Mail. Bei E-Mails, die der Individualkommunikation dienen, sind als reine Telekommunikation ohne Dienstleistungscharakter einzustufen (Noch zum TMG aber im Grundsatz übertragbar LG Bonn, Urt. v. 24.5.20217 – 1 O 369/16).

 

Wann könnten E-Mails doch unter das BFSG fallen?

Geht man hingegen davon aus, dass E-Mails nicht per se ausgeschlossen sind, muss betrachtet werden, ob sie auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags abzielen. Hierbei kommt es auf den Zweck und den Zeitpunkt der E-Mail innerhalb der Transaktion an.

  • Newsletter und Marketing-Mails: Unternehmen versenden regelmäßig Newsletter oder Marketing-Mails, um für Produkte oder Dienstleistungen zu werben. In manchen Fällen könnte dies als Aufforderung zum Vertragsabschluss interpretiert werden. Allerdings dienen solche E-Mails oft nur der Information oder Imagepflege. Zudem erfolgt der eigentliche Vertragsschluss meist auf einer externen Landingpage. Daher sind Newsletter und Marketing-Mails nach aktueller Rechtslage nicht zwingend barrierefrei zu gestalten, auch wenn es sinnvoll sein könnte.
  • Bestellbestätigungen: Online-Shops sind gesetzlich verpflichtet, Bestellbestätigungen zu versenden (§ 312i Abs. 1 Nr. 3 BGB). Da diese E-Mails lediglich den Zugang der Bestellung bestätigen, aber keinen neuen Vertragsschluss initiieren, fallen sie nicht unter das BFSG.
  • Rechnungen: Auch Rechnungen werden nach Abschluss eines Verbrauchervertrags verschickt und dienen lediglich der Zahlungsabwicklung. Daher unterliegen sie nicht den Anforderungen der digitalen Barrierefreiheit nach BFSG.

Fazit: Müssen E-Mails barrierefrei gestaltet werden?

Nach aktuellem Wortlaut des Gesetzes sind E-Mails in den meisten Fällen nicht vom BFSG betroffen, da sie weder als "Webseiten" noch als "mobile Apps" gelten und keinen unmittelbaren Vertragsschluss ermöglichen.

Allerdings gibt es auch eine gegenteilige Argumentation: Es erscheint widersprüchlich, wenn barrierefreie Online-Shops zur Vertragsschließung führen, die nachfolgende Kommunikation aber nicht barrierefrei erfolgen muss. Eine eindeutige Klärung durch die Marktüberwachungsbehörden bleibt abzuwarten. Unternehmen sollten daher individuell abwägen, ob sie ihre E-Mail-Kommunikation barrierefrei gestalten.

Jetzt handeln: Barrierefreiheit als Wettbewerbsvorteil nutzen!

Unabhängig von der gesetzlichen Pflicht ist digitale Barrierefreiheit ein wichtiger Faktor für eine inklusive Kundenkommunikation. Unternehmen, die barrierefreie E-Mails nutzen, verbessern nicht nur ihre Erreichbarkeit, sondern stärken auch ihr Markenimage. Nutzen Sie die Chance und optimieren Sie Ihre digitale Kommunikation noch heute!

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