Das Oberlandesgericht Hamm hat in seiner Entscheidung vom 24. Juli 2024 (11 U 69/23) zu einer sehr praxisrelevanten Frage Stellung bezogen. Eine wesentliche Vorfrage zu der vorliegenden Entscheidung war nämlich, ob der Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach Art. 82 DSGVO abtretbar ist. Diese Frage ist deswegen von einer hohen praktischen Relevanz, weil bestimmte Modelle zur gebündelten Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen von ihrer Beantwortung abhängig sind. Die gebündelte Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen erfolgt nämlich vielfach durch die Abtretung des individuellen Anspruches an einen Anbieter, der hierfür an den Betroffenen einen bestimmten Pauschalbetrag auszahlt. Für den Betroffenen hat das den Vorteil, dass dieser zwar nicht die volle Schadenssumme, aber einen sicheren Anteil hieran erhält und sich dann nicht weiter mit der Angelegenheit befassen muss. Der Anbieter wiederum sieht seinen Vorteil in der gebündelten Durchsetzung darin, dass er einen gewissen Vergleichsdruck auf das beklagte Unternehmen ausüben kann. Erreicht ein Datenschutzvorfall eine bestimmte Anzahl von betroffenen Personen, kann das Geschäftsmodell auch dann noch lukrativ sein, wenn die ausgeurteilte Schadenssumme gering ausfällt.   

Abtretbarkeit eines Anspruchs aus Art. 82 DSGVO: ja - nein - vielleicht!

Die Frage nach der Abtretbarkeit wird dabei seit Geltung der DSGVO uneinheitlich beantwortet und soweit ersichtlich, hatte sich hiermit bislang noch kein Oberlandesgericht befassen müssen. Das OLG Hamm dürfte insofern das erste sein, dass sich in dieser Frage verbindlich positioniert und eine Abtretbarkeit von Ansprüchen auf Ersatz eines immateriellen Schadens bejaht hat.

So vertrat bereits 2019 der geschätzte Kollege Jan Spittka als einer der ersten die Auffassung, dass Ansprüche auf immateriellen Schadensersatz nicht abtretbar seien (Spittka, GRUR-Prax 2019, 475, 476, Spittka, IPRB 2021, 24, 27). Die mit dem Anspruch verfolgte Genugtuungsfunktion könne nach dieser Ansicht nur gegenüber der betroffenen Person selbst erfüllt werden, deren Daten rechtswidrig verarbeitet wurden und von der Datenschutzverletzung betroffen seien. Dieser Ansicht hatte sich dann auch das AG Hannover angeschlossen (Urt. v. 9.3.2019 – 531 C 10952/19). Die u.a. vom AG Hannover in Bezug genommenen Entscheidungen des BGH befassten sich im Kern allerdings gerade nicht mehr mit der Abtretbarkeit eines Geldentschädigungsanspruches, sondern letztlich nur noch mit der Frage nach der Vererblichkeit eines solchen Anspruches (BGH, Urt. v. 23.5.2017 – VI ZR 261/16; BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12). Insofern ist bereits fraglich, ob der BGH seine Rechtsprechung, die noch auf der Geltung des mittlerweile aufgehobenen § 847 Abs. 1 S. 2 BGB erging, auch in Bezug auf die Frage der Abtretbarkeit eines Anspruches auf Geldentschädigung aufrechterhalten würde.

Hiergegen sprach bereits die Entscheidung des BGH vom 18.6.2020 (IX ZB 11/19), in welcher der Senat zu entscheiden hatte, ob ein Anspruch auf Geldentschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung übertragbar und damit auch pfändbar ist. Der BGH hat im Rahmen dieser Entscheidung ausdrücklich den Unterschied zwischen der Vererblichkeit und der Abtretbarkeit eines Anspruches auf Geldentschädigung hervorgehoben und ist letztlich zu dem Ergebnis gekommen, dass nach Aufhebung von § 847 Abs.1 S. 2 BGB einer Übertragbarkeit eines Geldentschädigungsanspruches nichts im Wege stünde. Tatsächlich enthält auch § 253 Abs. 2 BGB keine mit § 847 Abs. 1 S. 2 BGB vergleichbare Einschränkung hinsichtlich der Übertragbarkeit, sodass es für die Ansicht, dass der Geldentschädigungsanspruch nicht übertragbar sei, bereits nach nationalem Recht an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Die Literatur kam entsprechend überwiegend zu dem Schluss, dass auch der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO übertragbar ist. Entsprechend hatte auch das LG Essen, als bis dato einziges Gericht, die Abtretbarkeit eines Anspruches aus Art. 82 DSGVO bejaht (LG Essen, Urt. v. 23.9.2021 – 6 O 190/21).

Die Entscheidung des OLG Hamm zur Abtretbarkeit eines Anspruches aus Art. 82 DSGVO

Dieser Ansicht ist nun das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 24.7.2024 (11 U 69/23) gefolgt. Der Senat sieht in dem Anspruch aus Art. 82 DSGVO keinen höchstpersönlichen Anspruch, wie in § 399 BGB – welcher die Abtretung höchstpersönlicher Ansprüche verbietet – vorausgesetzt. Hierzu führt der Senat wörtlich aus:

„Anders als bei einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht steht hier nicht der Genugtuungsgedanke im Vordergrund, sondern es soll der aufgrund eines Verstoßes gegen die DSGVO entstandene Schaden vollständig und wirksam finanziell entschädigt werden, womit eine Ausgleichsfunktion verbunden ist (vgl. auch EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 - C-667/21 -, Rn. 85, juris). Darüber hinaus erfüllt Art. 82 DSGVO einen weiteren Normzweck, mit dem ihm eine spezial- und auch generalpräventive Aufgabe zukommt, indem er dazu beitragen soll, dass innerhalb der Union ein gleichmäßiges und hohes Schutzniveau von natürlichen Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten gewährleistet (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-300/21 -, NZA 2023, 621, Rn. 48) und ein Anreiz für die Einhaltung der DSGVO geschaffen wird (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-300/21 -, NZA 2023, 621, Rn. 40; EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 - C-667/21 -, Rn. 85, juris). Schließlich enthält Art. 82 DSGVO eine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Ersatzanspruch, sodass die Grundsätze, die für einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelten, nicht anzuwenden sind. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt; der EuGH hat eine Erheblichkeitsschwelle ausdrücklich verneint (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 - C-300/21 -,NZA 2023, 621, Rn. 43 ff.). Grundsätzlich ist daher jeder Datenschutzverstoß geeignet, einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1, 2 DSGVO zu begründen.“

Ferner sei auch ein schutzwürdiges Interesse des Schuldners an der Beibehaltung der Person des Gläubigers nicht erkennbar und die Leistung sei auch nicht dergestalt mit der Person des Gläubigers verknüpft, dass die Leistung an einen anderen Gläubiger als eine andere Leistung erschiene.

Ausblick für die Praxis

Mit der Entscheidung stärkt das OLG Hamm das sog. Abtretungsmodell bei der gebündelten Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nach einem Datenschutzvorfall. Im vorliegenden Fall scheiterte die Durchsetzung einer Vielzahl von Ansprüchen allerdings daran, dass dem Kläger der Nachweis der Abtretung nicht gelungen ist. Von über 500 vermeintlich abgetretenen Forderungen konnte die Klägerin nur zwei nachweisen. Entsprechend wurde die Klage weit überwiegend abgewiesen, was sich dann auch in einer ungünstigen Kostenentscheidung niederschlug. Die Klägerin musste letztlich die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen. Für die hiesige Klägerin dürfte sich das Verfahren somit wirtschaftlich kaum gelohnt haben. Allen anderen Anbieter, die gebündelt Ansprüche nach einem Datenschutzvorfall über das Abtretungsmodell geltend machen, dürfte sie jedoch Auftrieb geben.  

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