Im Herbst 2024 mehrten sich die Berichte, dass der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (Verbraucherzentrale Bundesverband - vzbv) zahlreiche Versicherungsmakler abmahnte, weil diese sich u.a. auf ihren Websites als "unabhängige Versicherungsmakler" bezeichnet hatten:

Entscheidung des OLG Köln bereitet den Weg für Abmahnungen des vzbv

Gestützt wurden die Abmahnungen dabei auf die Rechtsauffassung aus einer Entscheidung des OLG Köln vom 7.2.2024 (6 U 103/23), die ebenfalls vom vzbv erstritten wurde. Das OLG Köln hatte es einem Versicherungsmakler untersagt, auf seiner Website mit der Bezeichnung "unabhängig" zu werben. Insbesondere sah das OLG Köln einen Verstoß gegen § 34d Abs. 3 GewO, wonach es Versicherungsvemittlern untersagt ist, zugleich als Versicherungsberater aufzutreten (und umgekehrt). Während nämlich die Tätigkeit des Versicherungsberaters nicht auf den Abschluss eines Versicherungsvertrages abziele, sondern in der unabhängigen Beratung und Bewertung der jeweiligen versicherungsrechtlichen Situation, sei der Versicherungsvertreter an eine oder mehrere Versicherungen gebunden und vermittele nur deren Produkte. Es gebe zwar eine gewisse Überschneidung bei den jeweiligen Tätigkeiten, sie seien jedoch dadurch eindeutig voneinander abgrenzbar, als der Versicherungsberater gegenüber der Versicherungswirtschaft eine finanziell unabhängige und insoweit objektive und neutrale Stellung einnimmt, so das OLG Köln (6 U 103/23).  Angesichts der hohen Wertigkeit, die in der Versicherungsbranche dem "unabhängigen Berater" im Marketing zugemessen werde, sei ein Verstoß gegen § 34d Abs. 3 GewO auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern und Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Der beklagte Versicherungsmakler geriere sich als Versicherungsberater und nehme insoweit zu Unrecht ein auf der absoluten Unabhängigkeit, Neutralität und Objektivität gegründetes besonderes Vertrauen in Anspruch. 

Landgericht Leipzig (05 O 1092/24) mit der ersten Entscheidung zur Werbung mit "unabhängige Beratung"

Diese Entscheidung des OLG Köln war offenbar der Startschuss für weitere Abmahnungen des vzbv im April 2024 gegenüber Versicherungsmakler. Am 4. Dezember 2024 kam es sodann zur ersten Entscheidung eines Landgerichts, nachdem eine abgemahnter Versicherungsmaklerin die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben hatte. So wies das Landgericht Leipzig (05 O 1092/24) die Klage des vzbv auf Unterlassung zurück. 

Die Versicherungsmaklerin warb auf ihrer Website unter anderem mit der Bezeichnung "unabhängiger Versicherungsmakler". Hierin sah der vzbv eine irreführende Angabe, denn als Versicherungsmaklerin sei die Beklagte keinesfalls "unabhängig", sondern betreibe eine interessengebundene Vermittlung/Beratung. Die Beratung könne nach dem vzbv nie ganz unabhängig sein, da die Versicherungsvermittlerung in der Regel provisionsbasiert erfolge. Nur der Versicherungsberater im Sinne von § 34d Abs. 2 GewO sei unabhängig. Eine solche zusätzliche Tätigkeit sei der der Beklagten allerdings wegen des Ausschlusses in § 34d Abs. 3 GewO untersagt. 

Versicherungsmakler können grundsätzlich auch unabhängig sein

Das Landgericht Leipzig (05 O 1092/24) hat mit Urteil vom 4. Dezember 2024 die Klage des vzbv als unbegründet abgewiesen. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe danach nicht, weil die Werbung mit "unabhängige Beratung" vorliegend keine Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG darstelle. Der angesprochene Verkehrskreis verstehe den Begriff "unabhängig" im vorliegenden Kontext einer Maklerleistung dahingehend, dass der Makler nicht von einem einzelnen oder einer im Hinblick auf den Gesamtmarkt irrelevant kleine Anzahl von Versicherern gesteuert werde. Die Verkehrskreise erwarten, dass die vom Makler ausgesprochenen Empfehlungen sich aus einem weitgehend umfassenden Marktüberblick ergeben und dass nicht allein Eigeninteressen im Hinblick auf Provisionen oder gesellschaftsrechtliche Beherrschung den Ausschlag geben. Dies ergebe sich bereits aus der gesetzlichen Verpflichtung des Versicherungsmaklers nach § 60 Abs. 1 S. 1 VVG, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zugrunde zu legen. Der Makler könne dann nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben, welcher Versicherungsvertrag geeignet sei, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen. Dieses Verständnis werde nach der Entscheidung des Landgericht Leipzig (05 O 1092/24) auch dadurch gestützt, dass ein Versicherungsmakler nach der Sachwalter-Entscheidung des BGH (Urt. v. 22.5.1985 - IVa ZR 190/83) umfassenden Pflichten unterliege und er wegen dieser Pflicten für den Bereich der Versicherungsverhältnisse als treuhänderischer Sachwalter des Versicherungsnehmers anzusehen sei und daher mit sonstigen Beratern verglichen werden könne. 

Allein der Umstand, dass ein Versicherungsmakler ein allgemeines Interesse am Erhalt von Provisionen oder Honoraren hat, führt noch nicht zu einer wirtschaftlichen oder sonstigen Abhängigkeit von der Versicherungswirtschaft. Solange also keine einseitige (gesellschaftsrechtliche) Beteiligung durch ein Versicherungsunternehmen an einem Makler vorliegt und sich der Makler zudem die Provisionen verstreut über den gesamten Markt verdiene, liege keine Abhängigkeit vor. So lag der Fall auch bei der beklagten Versicherungsmaklerin. Auch diese wurde nicht einseitig von einem Versicherungsunternehmen beherrscht und erhielt ihre Provisionen auch nicht nur von einem Versicherungsunternehmen. Entsprechend stimmte der mit der Bezeichnung als "unabhängige Beratung" erweckte Eindruck mit den wirklichen Verhältnissen überein, sodass das Landgericht Leipzig hierin keine irreführende Angabe im Sinne von § 5 UWG sah. 

Ausblick für die Praxis

Die Entscheidung des Landgericht Leipzig ist noch nicht rechtskräftig. Der vzbv kann hiergegen noch Berufung einlegen, sodass das Oberlandesgericht sich mit dieser Frage befassen müsste. Es stellt sich dann die Frage, ob das angerufene Oberlandesgericht die relevante Verkausauffassung in gleicher Weise feststellt, wie das Landgericht Leipzig oder ob es zu einer strengeren Bewertung des Verkehrsverständnisses tendiert. So hatte beispielsweise das Landgericht Bremen (Urt. v. 11.7.2023 - 9 O 1081/22) mit Blick auf die Anlageberatung festgestellt, dass der angesprochene Verkehr dort bei der Werbung mit "unabhängige Beratung" davon ausgehe, dass der Anbieter gerade nicht in einem Provisionsinteresse tätig werde, sondern vollständig unabhägig von etwaigen Provisionen oder anderen Zuwendungen, die seitens der Produktgeber im Falle des Abschlusses an den Berater geleistet werden. Jede irgendwie geartete Abhängigkeit des Beraters von einem Produktgeber, sei es auch keine vertragliche, sondern nur eine über eine Provision oder sonstige Zuwendung vermittelte, stehe aus Sicht des angesprochenen Verkehrs einer "Unabhängigkeit" entgegen. 

Aufgrund dieser abweichenden Ansicht in der Rechtsprechung zum Verkehrsverständnis kann davon ausgegangen werden, dass der vzbv gegen die Entscheidung aus Leipzig Berufung einlegen wird. Das leipziger Urteil stellt somit zunächst nur einen ersten - aus Sicht der Versicherungsmakler wichtigen - Etappensieg hinsichtlich der Werbung mit "unabhängig" dar. Letztlich dürfte nur eine Entscheidung des BGH für abschließende Klarheit sorgen. 

 

Weitere Blogbeiträge zum Werberecht