Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz („BFSG“) in Kraft. Es soll den Zugang zu bestimmten Produkten und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen verbessern.

Mehr Informationen zum BFGSG in unserem Fokusthema „Digitale Barrierefreiheit“

Ziel ist es, bestehende Barrieren abzubauen und eine umfassendere Teilhabe am Wirtschaftsleben zu ermöglichen. Das Gesetz enthält einen abschließenden Katalog von Produkten und Dienstleistungen, die künftig barrierefrei gestaltet sein müssen. Ärztliche Leistungen selbst fallen dabei nicht unter das BFSG. Dennoch sollten sich auch Arztpraxen mit den neuen Anforderungen vertraut machen, da sie in bestimmten Konstellationen auch betroffen sein können.

Wann betrifft das BFSG Arztpraxen?

Das Gesetz gilt auch für digitale Dienstleistungen im sogenannten "elektronischen Geschäftsverkehr". Darunter fallen Webseiten oder Apps, über die Verbraucher einen Vertrag abschließen können. Hierdurch wird der Anwendungsbereich des BFSG auch auf Unternehmen erweitert, deren Leistungen selber zwar nicht barrierefrei gestaltet werden müssen, die mit Verbrauchern aber online einen Vertrag über ihre Leistungen abschließen.

Gemäß einer Leitlinie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) reicht es allerdings bereits aus, wenn Patienten online Termine buchen können. Auch in diesem Fall soll das BFSG zur Anwendung kommen.

Hinweis: Bietet Ihre Praxiswebsite die Möglichkeit, online einen Termin zu buchen, fällt Ihre Website in den Anwendungsbereich des BFSG und muss barrierefrei gestaltet werden.

Derzeit noch unklar ist, ob dies auch für Online-Sprechstunden gilt. Ausgehend vom Sinn und Zweck des BFSG erscheint es aber naheliegend, dass Antragsstrecken, die zu einer Online-Sprechstunde hinführen, barrierefrei gestaltet werden müssen. Denn bei einer Online-Sprechstunde kann der Patient die Leistung – anders als bei der Online-Terminbuchung – unmittelbar in Anspruch nehmen.

Gibt es Ausnahmen für kleine Praxen?

Ja, das Gesetz sieht eine Ausnahme für Kleinstunternehmen vor. Arztpraxen, die

  • weniger als zehn Mitarbeiter beschäftigen
  • und entweder einen Jahresumsatz von höchstens zwei Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von maximal zwei Millionen Euro haben,

sind von den Pflichten des BFSG ausgenommen.

Beispiel: Hat Ihre Praxis nur drei Angestellte und erzielt einen Umsatz von einer Million Euro, fällt sie nicht unter das Gesetz. Liegt der Umsatz aber bei 2,1 Millionen Euro oder beschäftigen Sie elf Mitarbeiter, gilt die Ausnahme nicht mehr.

Mögliche Sanktionen bei Verstößen gegen das BFSG

Verstoßen Sie mit Ihrer Praxiswebsite gegen die Vorgaben des BFSG, kann dies zu Sanktionen führen. Die Marktüberwachungsbehörden sind nach dem BFSG befugt, Maßnahmen zur Durchsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen zu ergreifen. Dazu gehören unter anderem:

  • Abmahnungen und Fristsetzungen zur Nachbesserung
  • Bußgelder bei fortgesetzter Nichtbeachtung
  • In schwerwiegenden Fällen kann es zu einem Verkaufs- oder Nutzungsverbot der digitalen Dienstleistung kommen – sprich: die Marktüberwachungsbehörde kann bis zur Einhaltung der Pflichten die „Abschaltung“ Ihrer Praxiswebsite anordnen

Ob auch andere Akteure Verstöße gegen die Pflichten aus dem BFSG ahnden können, ist derzeit noch ungeklärt. In Betracht kämen insoweit Wettbewerber, welche die fehlende Umsetzung der Pflichten als Wettbewerbsverstoß über das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geltend machen könnten. Hier wird man beobachten müssen, wie sich die Gerichte positionieren werden.

Wann ist die Webseite einer Arztpraxis „barrierefrei“?

Die gesetzlichen Vorgaben sind allgemein gehalten. Eine Webseite gilt danach als barrierefrei, wenn Menschen mit Behinderungen sie ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe nutzen können. Diese allgemeinen Vorgaben werden einerseits über eine Verordnung zum BFSG (BFSGV) insbesondere aber über technische Standards konkretisiert.

Konkrete Anforderungen ergeben sich vor allem aus den technischen Standards der "Web Content Accessibility Guidelines" (WCAG). Diese Standards definieren, wie Webseiten barrierefrei gestaltet werden können. Das BFSG sieht in § 4 BFSG eine sog. Konformitätsvermutung vor. Das heißt, entspricht die Website den Anforderungen einer europäischen Norm, wird vermutet, dass die Website auch barrierefrei im Sinne des BFSG ist. Die europäische Norm EN 301 549 verweist insoweit auf die WCAG und stellt klar, dass eine Webseite, die den WCAG-Stufen A und AA entspricht, als barrierefrei gilt.

Warum sich digitale Barrierefreiheit auch ohne gesetzliche Verpflichtung lohnt

Auch wenn Ihre Praxis nicht unter die gesetzlichen Pflichten des BFSG fällt, lohnt sich die Umsetzung der WCAG-Richtlinien aus weiteren Gründen:

  1. Suchmaschinenoptimierung (SEO): Barrierefreie Webseiten sind oft besser strukturiert und nutzerfreundlicher, was sich positiv auf das Google-Ranking auswirkt. Eine bessere Sichtbarkeit im Netz kann mehr potenzielle Patienten auf Ihre Praxis aufmerksam machen.
  2. Erweiterte Zielgruppe: Eine barrierefreie Webseite ermöglicht mehr Menschen den Zugang zu Ihren digitalen Angeboten, darunter ältere Patienten oder Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen.
  3. Gesellschaftliche Verantwortung: Digitale Barrierefreiheit ist ein Zeichen für Inklusion und soziale Verantwortung. Arztpraxen, die barrierefreie Lösungen umsetzen, leisten einen wichtigen Beitrag zu einer gerechteren Gesellschaft.

Die Barrierefreiheitserklärung – neue Informationspflicht

Zusätzlich zur barrierefreien Gestaltung müssen Praxen eine sogenannte Barrierefreiheitserklärung bereitstellen. Diese muss leicht zugänglich und selbst barrierefrei sein. Sie enthält mindestens:

  • eine allgemeine Beschreibung der digitalen Dienstleistung,
  • Erklärungen zur Umsetzung der Barrierefreiheit,
  • Angaben zur zuständigen Marktüberwachungsbehörde.
Mehr zu den Anforderungen an die Barrierefreiheitserklärung im Blogbeitrag "Barrierefreiheitserklärung"

Fazit: Was sollten Praxisinhaber jetzt tun?

  • Überprüfen Sie, ob Ihre Webseite oder App Online-Terminbuchungen oder Online-Sprechstunden ermöglicht.
  • Klären Sie, ob Ihre Praxis als Kleinstunternehmen gilt und ob die Ausnahme für Sie zutrifft.
  • Falls Ihre Praxis betroffen ist: Passen Sie Ihre Webseite an die WCAG-Stufen A und AA an.
  • Erstellen Sie eine Barrierefreiheitserklärung und stellen Sie diese auf Ihrer Webseite bereit.
  • Auch ohne gesetzliche Verpflichtung: Nutzen Sie die Vorteile barrierefreier Webseiten für SEO, Nutzerfreundlichkeit und gesellschaftliche Verantwortung.

Durch frühzeitige Anpassungen vermeiden Sie rechtliche Risiken und verbessern gleichzeitig den Service für Ihre Patienten!

Jetzt handeln: Barrierefreiheit als Wettbewerbsvorteil nutzen!

Unabhängig von der gesetzlichen Pflicht ist digitale Barrierefreiheit ein wichtiger Faktor für eine inklusive Kundenkommunikation. Unternehmen, die barrierefreie E-Mails nutzen, verbessern nicht nur ihre Erreichbarkeit, sondern stärken auch ihr Markenimage. Nutzen Sie die Chance und optimieren Sie Ihre digitale Kommunikation noch heute!

Haben Sie Fragen zu den Anforderungen an die digitale Barrierefreiheit? Kontaktieren Sie uns jederzeit für ein Kennenlerngespräch!

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