Das Abwerben von Mitarbeitern eines Mitbewerbers ist regelmäßig Gegenstand lauterkeitsrechtlicher Auseinandersetzungen. Das Landgericht Koblenz (Beschl. v. 17.9.2024 - 11 O 12/24) hat in einer zuletzt veröffentlichten Entscheidung noch einmal dargelegt, wann das Abwerben von Mitarbeitern lauterkeitsrechtlich unzulässig ist bzw. wann gerade noch nicht. Dem einstweiligen Verfügungsverfahren lag dabei ein etwas kurioser Sachverhalt zugrunde, der aber noch einmal verdeutlich, wie hart der Kampf um gut ausgebildete Fachgkräfte heutzutage geführt wird bzw. geführt werden muss. 

Worüber musste das Landgericht Koblenz entscheiden?

Die Parteien stehen nicht nur hinsichtlich der vertriebenen Waren im Wettbewern, sondern auch mit Blick auf die angestellten Beschäftigten. Bei der Antragsgegnerin ware ca. 25 Beschäftigte bereit und entschlossen, das Unternehmen in Richtung der Antragstellerin zu verlassen. Die Antragstellerin hatte insoweit auch bereits mit allen wechselwilligen Beschäftigten entsprechende Anstellungsverträge geschlossen. Noch vor dem eigentlichen Eintrittsdatum bei der Antragstellerin haben sechs der wechselwilligen Beschäftigten ihre Anstellungsverträge wieder gekündigt und haben ihre Arbeit bei der Antragstellerin gar nicht erst aufgenommen. Die Kündigungsschreiben waren dabei gleichlautend verfasst. Ein weiterer wechselwilliger Beschäftigter ist ohne eine solche Kündigung erst gar nicht zur Arbeit bei der Antragstellerin erschienen.

In ihrer Antragsschrift trägt die Antragsstellerin vor, die Antragsgegnerin habe zur Verhinderung des Verlusts ihrer Mitarbeiter und zur Schädigung der Antragstellerin die wechselwilligen Beschäftigten dazu verleitet, die mit ihr geschlossenen Arbeitsverträge zu verletzen. Die Antragsgegnerin sei für die in Wortlaut, Aufbau und Form identischen und kurz vor Arbeitsbeginn erklärten Kündigungen verantwortlich. Zudem habe die Antragsgegnerin den wechselwilligen Beschäftigten eine Prämie in Höhe von 2.000,00 bis 3.000,00 EUR angeboten, wenn diese von dem geplanten Wechsel zur Antragstellerin wieder Abstand nehmen würden. Hierin läge eine gezielte Behinderung, was zu einem Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 4, 4a UWG führe, den die Antragstellerin mit der beantragten einstweiligen Verfügung durchsetzen wollte.

Wie hat das Landgericht Koblenz entscheiden?

Im Ergebnis wies die Kammer den Antrag zurück, da es eine gezielte Behinderung durch die Antragsgegnerin nicht als glaubhaft gemacht angesehen hatte. Es stellte zunächst fest, dass das Abwerben von Mitarbeitern aufgrund der Freiheit des Wettbewerbs zunächst nicht per se unzulässig ist. Unternehmen haben keinen Anspruch auf Bestand ihrer Mitarbeiter. Die für ein Unternehmen Tätigen sind zudem in der Wahl ihres Arbeitsplates frei. Ein Abwerben ist daher lauterkeitsrechtlich zunächst erlaubt, selbst wenn es bewusst und planmäßig erfolgt. Eine andere Bewertung kann erst dann erfolgen, wenn besondere Umstände hinzutreten, die das Abwerben im Einzelfall als lauterkeitsrechtlich unzulässig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände seien aber erst gegeben, wenn das konkurrierende Unternehmen mit der Abwerbung einen verwerflichen Zweck verfolgt oder bei der Abwerbung selbst verwerflich Mittel oder Methoden anwendet.

Hierzu führt die Kammer dann unter anderem aus:

Meist wird mit der Abwerbung eines Mitarbeiters versucht die eigene Leistungsfähigkeit zu steigern oder zu verbessern. Dies allein ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein verwerflicher Zweck wird aber verfolgt, wenn der Abwerber nicht sein eigenes unternehmerisches Fortkommen bezweckt, sondern primär die wirtschaftliche Entfaltung des Konkurrenten behindert werden soll (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Omsels UWG § 4 Rn. 328). Eine solche Behinderungsabsicht ist anzunehmen, sobald der Arbeitnehmer vom Abwerbenden nicht benötigt wird oder nur gezielt, von einem ganz bestimmten Unternehmen abgeworben wird, ohne die anderen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu sondieren (KBF/Köhler UWG § 4 Rn. 4.105).

Es ist unlauter, einen Mitarbeiter abzuwerben, indem man ihn zum Vertragsbruch verleitet (BGH GRUR 1961, 482 (483) – Spritzgussmaschinen; GRUR 2007, 800 Rn. 14 – Außendienstmitarbeiter; Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 4 Rn. 4/28). Hierzu zählen Fälle der Verletzung einer wesentlichen Pflicht aus einem gültigen Vertragsverhältnis (Harte- Bavendamm/Henning-Bodewig/Omsels UWG § 4 Rn. 336). Dies ist beispielsweise zu bejahen im Fall der sofortigen Einstellung der Arbeit, bei einer provozierten Kündigung oder in der Verletzung von Ausschließlichkeitsvereinbarungen oder Wettbewerbsverboten (Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 4 Rn. 4/28). Wer als Abwerber bewusst und gezielt auf den Vertragsbruch eines Mitarbeiters eines Mitbewerbers hinwirkt, verleitet diesen. Das setzt voraus, dass der Abwerbende zumindest Kenntnis von dem geschlossenen Vertrag hat oder sich dieser bewusst verschlossen hat (Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 4 Rn. 4/28). Dagegen reicht fahrlässige Unkenntnis grundsätzlich nicht aus (BGH GRUR 1975, 555 (557) – Speiseeis).

Ferner zulässig ist es dem Arbeitnehmer bei einer rechtmäßigen Kündigung helfend zur Seite zu stehen (Kündigungshilfe) (zur Kündigungshilfe beim Kunden BGH GRUR 2005, 603 (604) – Kündigungshilfe). Ebenso darf das Kündigungsschreiben vom neuen Arbeitgeber übermittelt werden oder für eine rechtmäßige Kündigung eine Prämie ausgelobt werden (Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 4 Rn. 4/30).

Im Rahmen ihres Antrages konnte die Antragstellerin nach der Überzeugung der Kammer nicht glaubhaft darlegen, dass die Antragsgenerin in unlauterer Weise die Mitarbeiter zu einem Vertragsbruch bei der Antragstellerin verleitet habe. Es stellte zunächst fest, dass die wechselwilligen Mitarbeiter zuvor bei der Antragsgegnerin tätig waren, sodass diese ein erhebliches Eigeninteresse an der Weiterbeschäftigung dieser Mitarbeiter habe und diese benötige. Sodann führt das Gericht aus, dass allein aus dem Umstand, dass die Kündigungen in Wortlaut, Aufbau und Form identisch seien, nicht gefolgt werden könne, dass diese von der Antragsgegnerin herrührten. Ein dahingehendes konzediertes und koordiniertes Vorgehen durch die Antragsgegnerin sei weder dargelegt noch bewiesen. Gleiches gelte für die Frage, ob die vorzeitige Lösung von dem Anstellungsvertrages einen Vertragsbruch darstellte. Hier stellte die Kammer fest, dass dies zunächst die alleinige Entscheidung der jeweiligen Beschäftigten darstellte. Im Falle einer Vertragsverletzung könne sich die Antragstellerin zunächst an diese wenden. 

(...) Eine unlautere Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit der wechselwilligen Mitarbeiter durch eine - als wahr unterstellte - Hilfe bei der Fertigung der Kündigung oder die - vermeintliche - Auszahlung einer Prämie ist nicht gegeben. Unlauterkeit soll nur bei Druck, unangemessenem Einfluss oder Irreführung des Arbeitnehmers vorliegen (vgl. §§ 4a, 4 Nr. 1 und §§ 2, 5, 5a). Ebenso ist von der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin als Abwerbende Kenntnis von den konkret geschlossenen Verträgen der wechselwilligen Mitarbeiter mit der Antragstellerin hatte. Zwar gibt die Zeugin S. in ihrer eidesstattlichen Versicherung an, dass einige Verträge von der Antragsgegnerin gesehen worden seien und diese daraufhin erklärt habe, dass die Verträge einer Rückkehr zur Antragsgegnerin nicht im Weg stünden. Welche Verträge der Antragsgegnerin konkret vorgelegen haben sollen, wird jedoch nicht klar. Angesichts der unterschiedlichen Ausgestaltungen der der Kammer vorliegenden Verträge, kann anhand der Angaben in der eidesstattlichen Versicherung nicht beurteilt werden, von welchen Arbeitsverträgen die Antragsgegnerin Kenntnis gehabt haben soll.

Ausblick für die Praxis

Die Entscheidung des Landgericht Koblenz ist aus unterschiedlichen Gründen für die Praxis interessant:

  • Das LG Koblenz stellt noch einmal klar, dass das Abwerben von Mitarbeitern nicht per se unzulässig ist und im Kampf um gut ausgebildete Fachkräfte künftig zunehemen wird. Unternehmen, deren Mitarbeiter abgeworben wurden, sollten dabei nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern überlegen, wie sie ihre Mitarbeiter zum bleiben motivieren können. Das Landgericht hat hier gezeigt, dass auch das Zurückabwerben bereits abgeworbener Mitarbeiter zulässig ist. 
  • In beiden Fällen des Abwerbens sind allerdings die lauterkeitsrechtlichen Grenzen zu beachten. Wer Mitarbeiter nur abwirbt, um dem Konkurrenten zu schaden, der läuft Gefahr sich lauterkeitsrechtlich verantworten zu müssen. Das Versprechen einer (Bleibe-)Prämie oder die Unterstützung bei der Kündigung überschreiten dabei noch nicht zwangsläufig die lauterkeitsrechtlichen Zulässigkeitsgrenzen.
  • Liegt der Verdacht einer unzulässigen Anwerbung nahe, muss dieser im Verfügungsverfahren auch zur Überzeugung des Gerichts hinreichend glaubhaft gemacht werden können. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung - wie im vorliegenden Fall - zurückgewiesen wird. Gleichzeitig darf im Verfügungsverfahren nicht zu lange mit der Sachverhaltsaufklärung und der Suche nach geeigneten Glaubhaftmachungsmitteln gewartet werden. Vorliegend wies das Landgericht den Antrag auch deswegen zurück, weil die Angelegenheit nicht mehr dringlich war. Zwischen Kenntnis vom Verstoß und Antragstellung war zu viel Zeit vergangen. 

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