Das Finanzgericht München (FG München) hat mit Urteil vom 02.07.2025 (Az. 3 K 1932/21) noch einmal festgestellt, dass auch reine online erbrachte Vermittlungsleistungen nach § 4 Nr. 8 UStG steuerfrei sein können. Das gelte sogar für Vermittlungsleistungen, die in einem gezielten Targeting und Re-Targeting von Internetnutzern bestehen, ohne dass der Vermittler für den potentiellen Kunden erkennbar auftritt. Die Entscheidung erging zugunsten einer Vermittlung von Finanzprodukten. Da die Auslegung des Begriffs der „Vermittlung“ für Versicherungsvermittler herangezogen werden kann, ist sie auch für Online-Geschäftsmodelle von Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern relevant.

Wie hat das Finanzgericht München entschieden?

Im vorliegenden Fall hatte eine Marketingagentur für eine Bank Privatkredite und Girokonten vermittelt. Die Agentur hatte dabei eine Erlaubnis nach § 34c GewO und erhielt für ihre Tätigkeit auch eine Vermittlungsprovision. Die Vermittlung selber erfolgte nicht durch persönliche Kontakte, sondern über digitale Medien — insbesondere durch eigene Vergleichsportale, Google-/Social-Media-Werbung und individualisierte Landingpages. Über ein eigens entwickeltes Trackingsystem wurden Cookies gesetzt, IP-Adressen und Daten von Drittanbietern ausgewertet, um potenzielle Kunden anhand ihres Surfverhaltens gezielt anzusprechen (Targeting) und bei erneutem Besuch erneut Werbung auszuspielen (Retargeting). Diese Tätigkeiten seien nach Ansicht des Finanzgerichts ausreichend, um die Anforderungen an eine steuerfreie Vermittlung im Sinne von § 4 Nr. 8 UStG zu bejahen. Unter Berücksichtigung der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung hat das FG München (3 K 1932/21) sich zunächst mit den allgemeinen Anforderungen des Begriffs der Vermittlung befasst:

„Der Rechtsprechung zufolge bezieht sich der Begriff der Vermittlungsleistung auf eine Tätigkeit, die von einer Mittelsperson ausgeübt wird, die nicht die Stellung einer Partei eines Vertrags über ein Finanzprodukt hat und deren Tätigkeit sich von den typischen vertraglichen Leistungen unterscheidet, die von den Parteien solcher Verträge erbracht werden. Denn die Vermittlungstätigkeit ist eine Dienstleistung, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird (EuGH-Urteile vom 21. Juni 2007 C-453/05, Ludwig, DStR 2007, 1160, Rn. 23 und vom 13. Dezember 2001 C-235/00, CSC Financial Services, Slg. 2001, I-10237, Rn. 39; BFH-Urteil vom 14. Mai 2014 XI R 13/11, BStBl II 2014, 734, Rn. 21). Zweck dieser Tätigkeit ist es insoweit, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrags hat (EuGH-Urteil vom 13. Dezember 2001 C-235/00, CSC Financial Services, Slg. 2001, I-10237, Rn. 39; BFH-Urteile vom 20. Dezember 2007 V R 62/06, BStBl II 2008, 641, unter II.1. a und vom 30. Oktober 2008 V R 44/07, BStBl II 2009, 554, unter II.1.). Die Vermittlungstätigkeit kann u.a. darin bestehen, einer Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrags nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln (EuGH-Urteile vom 21. Juni 2007 C-453/05, Ludwig, Slg. 2007, I-5083, Rn. 28 und vom 13.12.2001 C-235/00, CSC Financial Services, Slg. 2001, I-10237, Rn. 39; BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 V R 66/05, BStBl II 2008, 638 und vom 30. Oktober 2008 V R 44/07, BStBl II 2009, 554, unter II.1.).“

Letztlich bejahte das FG München (3 K 1932/21) auch die zielgerichtete Tätigkeit für einen Vertragsinteressenten:

„Die Tätigkeit der Klägerin erschöpft sich nicht in einer allgemeinen Unterstützung im Online-Vertrieb. Zwar dienen Marketing und Werbung ebenso wie die Vermittlung letztlich dem Zustandekommen von Verträgen. Der Begriff der Vermittlung setzt jedoch weitergehend eine zielgerichtete Tätigkeit im Hinblick auf bestimmte Vertragsinteressenten voraus. Gemeinsames Merkmal der nach der EuGH-Rechtsprechung als Vermittlung anzusehenden Nachweis-, Verhandlungs- oder Kontaktaufnahmetätigkeit ist daher das Handeln gegenüber individuellen Vertragsinteressenten. Marketing- und Werbeaktivitäten, die demgegenüber darin bestehen, dass sich ein Vertriebsunternehmen nur in allgemeiner Form an die Öffentlichkeit wendet, damit die Empfänger von Werbebotschaften unmittelbar Produkte erwerben, sind keine Vermittlung (BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 V R 66/05, BStBl II 2008, 638 und vom 20. Dezember 2007 V R 62/06, BStBl II 2008, 641 unter II.2.). Die Tätigkeit der Klägerin geht im vorliegenden Fall über das bloße Schalten von Werbeanzeigen im Internet (z.B. GoogleAds, Bannerwerbung usw.) hinaus, indem sie anhand der gesammelten Daten systematisch den Interessentenkreis immer weitergehend eingrenzt und fortwährend den einzelnen als potentiellen Kunden erachteten Interessenten anspricht, bis dieser bereit ist, den Button auf der Landingpage zu klicken. Damit wird nicht lediglich eine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis vorgenommen oder werden Werbemaßnahmen nur an die Allgemeinheit gerichtet, sie werden vielmehr anhand der Retargeting-Listen speziellen Internetnutzern gegenüber ausgespielt. Der besondere Nutzen für die BANK besteht darin, dass die Interessenten auf diese Weise – bereits in der Absicht einen Vertrag zu schließen – mit der BANK auf deren Produktseite zusammengeführt werden. Zwar sind die einzelnen von der Klägerin beschriebenen Marketingwerkzeuge (Schalten einer GoogleAds-Kampagne, Erstellen eines Vergleichsportals, Werbung auf Social Media Plattformen usw.) für sich genommen unstrittig Werbemaßnahmen, die sowohl in Fällen zum Einsatz kommen (können), in denen die Klägerin mit „Werbeleistungen“ oder „Vermittlungsleistungen“ beauftragt wurde. Durch das systematische Vorgehen der Klägerin und den zielgerichteten Einsatz dieser Werkzeuge gegenüber den potentiellen Kunden verlässt diese jedoch im Streitfall den Bereich nicht steuerbefreiter Marketingleistungen. Sie schaltet nicht nur die Werbungen, sondern zieht hieraus Informationen, die sie fortwährend auswertet und für weitere gezielte Ansprachen nutzt und leitet die Interessenten am Ende des Identifizierungsvorgangs auf die Produktseite der BANK. Damit unterfällt die Tätigkeit der Klägerin zumindest der vom EuGH benannten und BFH übernommenen Fallgruppe der Kontaktaufnahme (…).“

Persönlicher Kontakt nicht zwingend

Wichtig war für das Finanzgericht also weniger, ob der Vermittler beim Kunden persönlich auftritt oder seine Identität gegenüber dem Kunden offenlegt, sondern dass der Vermittler gezielt Interessenten ansprach, mehrfach kontaktierte und die Kunden letztlich bis zum Vertragsschluss mit der Bank führte.

Das FG stellte insoweit klar, dass auch der anonyme, mediatisierte Kontakt mittels Internetcookies, IP-Adressen und Drittanbieter-Daten den Charakter einer Vermittlung nicht ausschließt. Hierdurch unterscheide sich die Tätigkeit der Klägerin von reiner Online-Werbung, die sich an die Allgemeinheit richte.

Zudem führt das FG aus, dass auch eine fehlende persönliche Beratung oder individuelle Betreuung den steuerfreien Vermittlungscharakter nicht entwertet. Es sei weder erforderlich, dass der Vermittler mit dem Interessenten in einen Dialog trete, noch dass er dessen personenbezogene Daten selbst erhebe — die Eingabe der persönlichen Daten durch den Interessenten auf der Webseite der Bank stehe dem nicht entgegen. Entscheidend sei allein, dass der Vermittler den Interessenten bis zur Vertragsseite der Bank geleitet und damit den Vertragsabschluss kausal mit ausgelöst habe.

Ausblick

Das Finanzgericht München (3 K 1932/21) bietet Anbietern von Online-Vermittlungsleistungen einige Argumente für ihr (steuerbefreites) Geschäftsmodell an die Hand. Dabei verkennt das FG München nicht, dass die Ausnahmevorschrift in § 4 UStG grundsätzlich eng auszulegen ist. Stellt aber fest, dass eine (zu) enge Auslegung dazu führt, dass der Zweck der Steuerbefreiung vereiteln würde:

„Die Auslegung dieser Begriffe muss jedoch mit den Zielen im Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht. Daher entspricht es nicht dem Sinn der Regel einer engen Auslegung, wenn die zur Umschreibung der in dieser Bestimmung genannten Befreiungen verwendeten Begriffe so ausgelegt werden, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen (…).“

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